Sechster Canto
Die Königreiche und Gottheiten des größeren Lebens
Wie einer, der zwischen schummrig schwindenden Wänden
Zum fernen Schein eines Tunnelmundes hin,
Hoffend auf Licht, nun mit freierem Schritte geht
Und den Hauch weiterer Luft schon nahen spürt,
So entrann er jener grauen Anarchie.
In eine unwirksame Welt kam er,
Eine zwecklose Region von aufgehaltener Geburt,
Wo Sein aus Nicht-Sein floh und zu leben wagte,
Doch ohne Stärke, lange zu bestehen.
Eine sinnierende Stirn des Himmels schimmerte darüber,
Gequält, gekreuzt von Schwingen zweifelnden Nebels,
Abenteuernd mit einer Stimme umherschweifender Winde
Und flehend um eine Richtung in der Leere
Wie blinde Seelen, die nach ihrem verlorenen Selbste suchen
Und durch unvertraute Welten wandern;
Flügel vagen Hinterfragens trafen die Frage des Raumes.
Nach der Ablehnung dämmerte eine zweifelhafte Hoffnung,
Eine Hoffnung auf Selbst und Gestalt und die Erlaubnis zu leben
Und die Geburt von dem, was noch nie zu sein vermochte,
Und Freude an dem Wagnis des Mentals, an der Wahl des Herzens,
Anmut des Unbekannten und Händen plötzlicher Überraschung
Und einer Berührung sicheren Glücks in unsicheren Dingen:
In ein seltsames ungewisses Gebiet führte seine Reise,
Wo Bewusstsein mit unbewusstem Selbste spielte
Und Geburt ein Versuch oder eine Episode war.
Ein Zauber nahte, der seinen Bann nicht halten konnte,
Eine begierige Macht, die ihren Weg nicht finden konnte,
Ein Zufall, der eine seltsame Arithmetik wählte,
Doch damit nicht die Form, die er schuf, binden konnte,
Eine Vielfalt, die ihre Summe nicht wahren konnte,
Die weniger als Null ausmachte und mehr als eins.
Gelangend zu einem weiten und schattigen Sinn,
Der sein flüchtiges Treiben nicht zu definieren suchte,
Rang die Lebensmacht in einer fremden und mythischen Luft,
Entblößt von ihren süßen prachtvollen Sonnen.
In vorgestellten Welten, noch nie wahr gemacht,
Ein verweilender Schimmer am Rande der Schöpfung,
Irrte man umher und träumte und vollbrachte nie:
Vollbringen hätte jenen magischen Raum zerstört.
Die Wunder eines zwielichtigen Wunderlandes
Voll seltsamer, vergeblich gemachter Schönheit,
Eine Flut fantasievoller Wirklichkeiten,
Trübe Zeichen einer oben versiegelten Pracht,
Weckten die Leidenschaft der Augen Wunsch,
Zwangen verliebtem Denken Glauben auf
Und lockten das Herz an, führten es aber zu keinem Ziel.
Ein Zauber floss wie von bewegenden Szenen,
Die eine Weile ihre flüchtige Feinheit wahrten,
Mit wenigen Strichen von einer abstrakten Kunst gezeichnet
In einem spärlichen Schummerlicht mit feinem Traumpinsel
Auf einen silbernen Hintergrund von Ungewissheit.
Ein kindliches Glühen der Himmel nahe dem Morgen,
Ein intensives Feuer, ersonnen doch nie entfacht,
Liebkoste die Luft mit glühenden Zeichen des Tages.
Die Vollkommenen, ersehnend den Reiz des Unvollkommenen,
Die Erleuchteten, gefangen von der Schlinge der Unwissenheit,
Ätherische Geschöpfe kamen, angezogen vom Lockruf des Körpers,
Mit unsichtbaren Schwingen schlagend, in jene Region der Verheißung,
Hungernd nach der Freude eines endlichen Lebens,
Doch zu göttlich, um erschaffenen Boden zu betreten
Und am Schicksal vergänglicher Dinge teilzuhaben.
Die Kinder des körperlosen Glanzes,
Entstiegen einem formlosen Gedanken in der Seele
Und getrieben von einem unstillbaren Verlangen,
Durchquerten das Feld des verfolgenden Blickes.
Es wirkte dort ein Wille, der nicht beharrend scheiterte:
Leben war ein Suchen, aber niemals kam das Finden.
Alles dort reizte, doch nichts befriedigte,
Dinge schienen zu sein, die nie ganz sind,
Bilder waren sichtbar, die aussahen wie lebendige Taten,
Und Symbole verbargen jenen Sinn, den sie zu zeigen vorgaben,
Blasse Träume wurden für des Träumers Augen wahr.
Dorthin kamen die Seelen, die vergeblich Geburt erstreben,
Und verfangene Geister mochten durch alle Zeiten wandern,
Doch nie die Wahrheit finden, durch die sie leben.
So eilten alle, wie Hoffnung einer lauernden Chance nachjagt;
Nichts war fest, nichts fühlte sich vollständig an:
Alles war unsicher, wundersam und halbwahr.
Es schien ein Reich mit Leben zu sein, das keine Grundlage hatte.
Dann dämmerte ein größeres Suchen, ein weiterer Himmel,
Eine Reise unter Flügeln brütender Kraft.
Erst kam das Königreich des Morgensterns:
Eine zweideutige Schönheit bebte unter seinem Speer
Und das Pochen der Verheißung einer umfassenderen Lebensmacht.
Dann ging langsam eine große und zögernde Sonne auf,
In deren Licht sie eine Welt aus sich erschuf.
Dort war ein Geist, der nach seinem eigenen tiefen Selbste suchte,
Doch zufrieden war mit vorgeschobenen Fragmenten
Und mit Teilen einer Lebensweise, die dem Ganzen widersprachen,
Aber, zusammengesetzt, eines Tages wahr sein könnten.
Etwas schien am Ende doch erreicht zu sein.
Ein wachsendes Volumen des Willens-zu-sein,
Ein Text des Lebens und ein Diagramm der Kraft,
Ein Manuskript der Taten, ein Lied der bewussten Formen,
Bepackt mit Bedeutungen, die dem Zugriff des Denkens entfliehen,
Und voll mit Untertönen des rhythmischen Lebensschreis,
Schrieb sich in das Herz lebendiger Dinge ein.
In einem Ausbruch der Macht eines geheimen Geistes,
In des Lebens und der Materie Antwort der Freude,
Ließ sich ein Antlitz von todloser Schönheit sehen,
Das der Freude eines Augenblicks Unsterblichkeit verlieh,
Ein Wort, das höchste Wahrheit verkörpern konnte,
Entsprang einer zufälligen Spannung der Seele,
Etwas Farbe des Absoluten konnte auf das Leben fallen,
Etwas Glanz des Wissens und intuitiven Sehens,
Etwas Leidenschaft des verzückten Herzens der Liebe.
Ein Hierophant der körperlosen Verschwiegenheit,
Verwahrt in einer ungesehenen spirituellen Hülle,
Der Wille, der den Sinn über seinen Horizont hinaustreibt,
Um das Licht und die Freude zu spüren, die ungreifbar sind,
Fand halb seinen Weg hin zum Frieden des Unbeschreibbaren,
Fing halb eine versiegelte Süße der Begierde ein,
Die vom Schoße einer geheimnisvollen Seligkeit aus sich sehnte,
Offenbarte halb verschleierte Wirklichkeit.
Eine Seele, nicht eingehüllt in ihren Mantel des Mentals,
Konnte den wahren Sinn einer Welt von Formen erhaschen;
Im Denken erleuchtet von einer Vision,
Beflügelt von der verstehenden Flamme des Herzens,
Konnte sie sich im bewussten Äther des Geistes
Die Göttlichkeit eines symbolischen Universums bewahren.
Dieses Reich inspiriert uns mit unseren größeren Hoffnungen;
Seine Kräfte sind auf unserem Erdball gelandet,
Seine Zeichen haben unserem Leben ihre Muster aufgeprägt:
Es verleiht unserem Schicksal eine souveräne Bewegung,
Seine verirrten Wellen verursachen unseres Lebens hohe Flut.
Alles, wonach wir suchen, ist dort vorgezeichnet,
Auch alles, was wir nicht wussten noch jemals suchten,
Was aber eines Tages im Menschenherzen geboren werden muss,
Damit sich das Zeitlose in Dingen erfüllen kann.
Inkarniert in das Mysterium der Tage,
Ewig in einer unverschlossenen Unendlichkeit,
Klimmt eine endlos steigende Möglichkeit
Auf einer Traumleiter empor, die kein Ende hat,
Für immer in die bewusste Trance des Seins.
Auf dieser Leiter steigt alles zu einem ungesehenen Ziel.
Eine Energie von ständiger Vergänglichkeit macht
Eine Reise, bei der die Rückkehr nicht gewiss ist,
Die Pilgerreise der Natur hin zu dem Unbekannten.
Als ob sie in ihrem Aufstieg zu ihrer verlorenen Quelle
Alles zu entrollen hoffte, was jemals sein könnte,
Bewegt sich ihre hohe Prozession von Stufe zu Stufe,
Ein Fortschrittssprung von Sicht zu größerer Sicht,
Ein Entwicklungsmarsch von Form zu reicherer Form,
Eine Karawane von unerschöpflichen
Formationen eines Denkens und einer Kraft ohne Grenzen.
Ihre zeitlose Macht, die einst im Schoße
Einer anfangslosen und endlosen Ruhe lag,
Jetzt getrennt von der unsterblichen Seligkeit des Geistes,
Erbaut das Urbild all der Freuden, die sie verloren hat;
Flüchtige Substanz in Form zwingend,
Hofft sie durch die Befreiung der schöpferischen Tat
Manchmal jene Kluft zu überspringen, die sie nicht ausfüllen kann,
Die Wunde der Trennung für eine Weile zu heilen,
Des Augenblicks Gefängnis der Kleinheit zu entrinnen
Und die weiten Erhabenheiten des Ewigen zu treffen,
Die hier im unsicheren Zeitfeld zerstückelt sind.
Fast kommt sie dem nahe, was nie erreicht werden kann;
Sie schließt Ewigkeit in eine Stunde ein
Und füllt eine kleine Seele mit der Unendlichkeit;
Der Unbewegliche neigt sich der Magie ihres Rufes zu;
Sie steht an einem Ufer in dem Unbegrenzbaren,
Nimmt den formlosen Einwohner in allen Formen wahr
Und fühlt um sich herum die Umarmung der Unendlichkeit.
Ihre Aufgabe kennt kein Ende; sie dient keinem Ziel,
Aber müht sich hart, gedrängt von einem namenlosen Willen,
Der aus unkennbarer gestaltloser Weite kam.
Ihre geheime und unmögliche Aufgabe ist es,
Das Grenzenlose im Netz der Geburt einzufangen,
Den Geist in eine körperliche Form zu gießen,
Dem Unbeschreibbaren Sprache und Denken zu verleihen;
Sie wird gedrängt, das ewig Ungeoffenbarte zu enthüllen.
Doch durch ihr Können ist das Unmögliche möglich geworden:
Sie folgt ihrem sublimen irrationalen Plan,
Ersinnt die Mittel ihrer magischen Kunst,
Um für den Unendlichen neue Körper zu finden
Und für den Unvorstellbaren Ebenbilder;
Den Ewigen hat sie in die Arme der Zeit gelockt.
Sogar jetzt weiß sie selber nicht, was sie getan hat.
Denn alles spielt sich unter einer rätselhaften Maske ab:
Eine Erscheinung, anders als ihre versteckte Wahrheit,
Trägt das Aussehen eines Tricks der Illusion,
Eine trügerische zeitgetriebene Unwirklichkeit,
Die unfertige Schöpfung einer wechselnden Seele
In einem Körper, der mit dem Bewohner wechselt.
Unscheinbar ihre Mittel, unendlich ihr Werk;
Auf einem großen Feld von gestaltlosem Bewusstsein
Entfaltet sie in kleinen endlichen Schüben von Mental und Sinn
Endlos eine endlose Wahrheit;
Ein zeitloses Mysterium reift aus in der Zeit.
Die Größe, die sie sich erträumte, wurde von ihren Taten verfehlt,
Ihre Arbeit ist eine Leidenschaft und eine Pein,
Eine Verzückung und Qual, ihre Glorie und ihr Fluch;
Und doch hat sie keine Wahl als immerfort zu schaffen;
Ihr mächtiges Herz verbietet ihr aufzuhören.
So lange die Welt besteht währt ihr Versagen,
Verblüffend und verwirrend für den Blick der Vernunft,
Eine unsagbare Schönheit und Verrücktheit,
Ein genialer Wahnsinn des Willens zu leben,
Eine Tollkühnheit, ein Delirium der Freude.
Dies ist das Gesetz ihres Wesens, seine einzigen Ressourcen;
Befriedigung gibt sie, kommt auch Zufriedenheit nie,
Ihrem hungrigen Willen, überall verschwenderisch auszustreuen
Ihre bilderreichen Fiktionen vom Selbst
Und tausend Ausdrucksweisen der einen Wirklichkeit.
Ein Reich schuf sie, berührt vom fliehenden Saum des Wahren,
Ein Reich, in einen Traum von dem geworfen, was es sucht,
Eine Ikone der Wahrheit, die Gestalt eines bewussten Mysteriums.
Es zögerte nicht wie das Erd-Mental, das umsäumt ist
Von festen Barrieren scheinbarer Fakten;
Es wagte, dem Traum-Mental und der Seele zu vertrauen.
Ein Jäger der spirituellen Wahrheiten,
Die noch immer nur gedacht, geahnt oder geglaubt,
Ergriff es in der Vorstellung und sperrte
In einen Käfig einen buntgemalten Paradiesvogel ein.
Dieses größere Leben ist in das Ungesehene verliebt;
Es ruft nach einem höchsten Licht, für es unerreichbar,
Es kann das Schweigen fühlen, das die Seele freispricht;
Es fühlt eine Erlöser-Berührung, einen göttlichen Strahl:
Schönes und Gutes und Wahres sind seine Gottheiten.
Es ist himmlischeren Himmeln näher, als der Erde Augen sehen,
Einer düsteren Finsternis, als des Menschen Leben ertragen kann:
Es ist verwandt mit dem Dämon und dem Gott.
Ein seltsamer Enthusiasmus hat sein Herz bewegt;
Es hungert nach den Höhen, es lechzt nach dem Höchsten.
Es jagt nach dem perfekten Wort, nach der perfekten Form,
Es springt zum Gipfel-Denken, zum Gipfel-Licht.
Denn durch die Form wird das Formlose nahe gebracht
Und alles Vollkommene grenzt an das Absolute.
Als Kind des Himmels, das nie seine Heimat sah,
Begegnet sein Schwung dem Ewigen an einem Punkt:
Es kann sich nur nähern und berühren, halten aber nicht;
Es kann sich nur zu einem hellen Extremen mühen:
Seine Größe liegt im Suchen und Erschaffen.
Auf jeder Ebene muss diese Größe erschaffen.
Auf Erden, in Himmel und Hölle ist sie dieselbe;
An jeglichem Geschick hat sie großen Anteil.
Als Hüterin des Feuers, das die Sonnen entflammt,
Triumphiert sie in ihrer Pracht und ihrer Macht:
Bekämpft, unterdrückt trägt sie Gottes Drang nach Geburt:
Der Geist überlebt auf des Nicht-Seins Boden,
Die Weltkraft überdauert den Schock der Weltdesillusion:
Stumm, ist sie noch das Wort, untätig die Macht.
Hier gefallen, eine Sklavin des Todes und der Unwissenheit,
Wird sie getrieben nach Todlosem zu streben
Und dazu bewogen, sogar das Unkennbare zu erkennen.
Sogar nichtwissend, nichtig, erschafft ihr Schlaf eine Welt.
Am machtvollsten wirkt sie, wo sie am wenigsten sichtbar ist;
Beherbergt im Atom, vergraben in der Scholle
Vergeht ihre lebhaft schöpferische Leidenschaft nicht.
Nichtbewusstsein ist ihre lange gigantische Pause,
Ihre kosmische Ohnmacht ist eine gewaltige Phase:
In der Zeit geboren, verbirgt sie ihre Unsterblichkeit;
Im Tod, ihrem Bett, harrt sie der Stunde ihrer Auferstehung.
Ist ihr auch versagt das Licht, aus dem sie gesandt,
Und tot die Hoffnung, die sie bräuchte für ihr Werk,
Sind auch ihre hellsten Sterne in der Nacht gelöscht
Und wird sie genährt mit Not und Elend,
Ist Schmerz ihres Körpers Magd, Masseuse und Amme,
So fährt doch ihr gequälter unsichtbarer Geist weiter fort,
Zu schuften trotz Finsternis, zu schaffen trotz Qualen;
Auf ihrer Brust trägt sie gekreuzigten Gott.
In kühlen empfindungslosen Tiefen, wo keine Freude ist,
Eingemauert, unterdrückt von der widerstrebenden Leere,
Wo nichts sich regt und nichts zu werden vermag,
Erinnert sie sich noch, beschwört noch das Kunstgeschick,
Das der Wundertäter ihr gab zu ihrer Geburt,
Und verleiht der verschlafenen Formlosigkeit eine Gestalt,
Enthüllt eine Welt, wo vorher gar nichts war.
In Reichen, begrenzt auf einen hingestreckten Kreis des Todes,
Auf eine dunkle Ewigkeit der Unwissenheit,
Ein Beben in einer trägen nichtbewussten Masse,
Oder eingesperrt in stillgelegte Wirbel der Kraft,
Taub und stumm durch der Materie blinden Zwang,
Weigert sie sich, reglos im Staub zu schlafen.
Dann, als Strafe für ihr rebellisches Erwachen
Nur hart mechanischer Umstand ihr gewährt
Als die Maschinerie ihres magischen Handwerks,
Gestaltet sie gottgleiche Wunder aus Lehm;
In das Plasma pflanzt sie ihren stummen unsterblichen Drang,
Hilft lebendigem Gewebe zu denken, verschlossenem Sinn zu fühlen,
Funkt dringliche Botschaften durch zarte Nerven,
Liebt auf wundersame Weise in einem Herzen aus Fleisch,
Gibt groben Körpern eine Seele, einen Willen, eine Stimme.
Immer wieder, wie mit einem Zauberstab, ruft sie
Wesen und Gestalten und Szenen unzählig neu hervor,
Die Fackelträger ihrer Prunkzüge durch Zeit und Raum.
Diese Welt ist ihre lange Reise durch die Nacht,
Die Sonnen und Planeten Lampen, die ihren Weg beleuchten,
Unsere Vernunft ist die Vertraute ihrer Gedanken,
Unsere Sinne sind ihre vibrierenden Zeugen.
Ihre Zeichen halb Wahrem, halb Falschem entnehmend,
Bemüht sie sich, die Erinnerung an ihre verlorene Ewigkeit
Durch verwirklichte Träume zu ersetzen.
In dieser riesigen Weltunwissenheit sind dies ihre Taten:
Bis der Schleier gelüftet ist, bis tot ist die Nacht,
Bleibt sie unermüdlich auf der Suche im Lichte oder Dunkel;
Die Zeit ist ihre Straße endloser Pilgerfahrt.
Eine einzige mächtige Leidenschaft motiviert all ihre Werke.
Ihr ewiger Liebhaber ist der Grund ihres Handelns;
Für ihn sprang sie aus den ungesehenen Weiten,
Um sich hier in einer starren unbewussten Welt zu bewegen.
Deren Taten sind ihr Umgang mit ihrem verborgenen Gast,
Seine Stimmungen nimmt sie für Passionsformen ihres Herzens;
In Schönem verwahrt sie das Sonnenlicht seines Lächelns.
Beschämt über ihre reiche kosmische Armut,
Schmeichelt mit kleinen Geschenken sie seiner Mächtigkeit,
Sichert sich die Treue seines Blickes mit ihren Szenen
Und umwirbt seine großäugig wandernden Gedanken,
Dass sie in Formen ihrer millionenfach pulsierenden Kraft verweilen.
Nur um ihren verhüllten Gefährten zu sich heranzuziehen
Und ihn in ihrem Weltgewand nah an ihrer Brust zu halten,
Dass er nicht aus ihren Armen in seinen formlosen Frieden fliehe,
Darauf ist ihr Herz bedacht und ihr anhängliches Sorgen.
Doch wenn ganz nah er weilt, fühlt sie ihn fern.
Denn Widerspruch ist das Gesetz ihrer Wesensart.
Obwohl sie immer in ihm und er in ihr ist,
Will sie, als wüsste sie nicht um diese ewige Bindung,
Gott in ihre Werke einschließen
Und ihn als ihren liebgewonnenen Gefangenen halten,
Auf das sie sich nie wieder trennen müssen in der Zeit.
Ein prachtvolles Gemach für den Schlaf des Geistes
Schuf sie zuerst, einen tiefen Innenraum,
Wo er schlummert wie ein vergessener Gast.
Doch jetzt beginnt sie zu brechen den vergessen machenden Bann
Und weckt von der gemeißelten Lagerstatt den Schläfer auf;
In der Form findet sie die Gegenwart wieder
Und entdeckt in dem Licht, das mit ihm erwacht,
Einen Sinn in der Hast und Plagerei der Zeit,
Und durch dieses Mental, das einst die Seele trübte,
Dringt ein Schimmer von ungesehener Gottheit nun.
Durch einen leuchtenden Traum von Geistesraum
Erbaut sie die Schöpfung wie eine Regenbogenbrücke
Zwischen dem ursprünglichen Schweigen und der Leere.
Das rege Universum wird zum Netz gemacht;
Sie webt eine Schlinge für das bewusste Unendliche.
Bei ihr ist ein Wissen, das seine Schritte verbirgt
Und als stummes allmächtiges Unwissen erscheint.
Bei ihr ist eine Macht, die Wunder wahr macht;
Das Unglaubliche ist ihr Allgemeingut.
Ihre Absichten, ihre Wirkensweisen geben Rätsel auf;
Untersucht, werden sie anders als sie waren,
Erklärt, scheinen sie noch unerklärlicher zu sein.
Sogar in unserer Welt hat ein Mysterium geherrscht,
Geschickt verdeckt vom Schirm flacher Alltäglichkeit der Erde;
Ihre größeren Ebenen bestehen aus Zaubereien.
Dort zeigt das Rätsel sein prächtiges Prisma,
Dort gibt es keine tiefgreifende Verschleierung durch Gewöhnlichkeit;
Okkult, von tief her kommt jegliche Erfahrung,
Wunderbares ist immer neu, göttliches Wunder.
Dort gibt es eine abgeschirmte Bürde, eine geheimnisvolle Berührung,
Dort gibt es eine Verschwiegenheit von verborgenem Sinn.
Obwohl keine irdene Maske auf ihrem Antlitz lastet,
Flieht sie vor ihrem eigenen Anblick in sich hinein.
Alle Formen sind Zeichen einer verhüllten Idee,
Deren heimliche Absicht der Verfolgung des Mentals entschlüpft,
Und die doch ein Schoß ist von gewaltiger Auswirkung.
Dort ist jeder Gedanke und jedes Gefühl eine Tat,
Und jede Tat ein Symbol und Zeichen,
Und jedes Symbol verbirgt eine lebendige Macht.
Aus Wahrheiten und Mythen erbaut sie ein Universum,
Doch was sie am meisten braucht, kann sie nicht erbauen;
Alles Gezeigte ist eine Form oder Kopie der Wahrheit,
Das Wirkliche jedoch verhüllt vor ihr sein mystisches Gesicht.
Alles andere findet sie, doch mangelt es an Ewigkeit;
Alles ist erforscht, doch verfehlt ist das Unendliche.
Ein Bewusstsein, erhellt von einer Wahrheit darüber,
Ward gefühlt; es sah das Licht, doch nicht die Wahrheit:
Es ergriff die Idee und baute daraus eine Welt;
Es schuf ein Bildnis dort und nannte es Gott.
Doch etwas Wahres und Inneres wohnte da.
Die Wesen jener Welt des größeren Lebens,
Bewohner einer weiteren Luft und eines freieren Raumes,
Leben nicht durch den Körper oder in äußeren Dingen:
Ein tieferes Dasein war der Sitz ihres Selbstes.
In jenem intensiven Bereich voll Innigkeit
Weilen Objekte als Gefährten der Seele;
Die Handlungen des Körpers sind ein unwichtiges Skript,
Die äußere Wiedergabe eines Lebens im Innern.
In jener Welt sind alle Kräfte die Gefolgschaft der Lebensmacht
Und Denken und Körper wirken als ihre Mägde.
Die allumfassenden Weiten geben ihr Raum:
Alle fühlen die kosmische Bewegung im Kräftewirken
Und sind die Instrumente ihrer kosmischen Gewalt.
Oder sie machen ihr eigen Selbst sich zum Universum.
Den zu größerem Leben Aufgestiegenen
Flüstert eine Stimme ungeborener Dinge in das Ohr,
Ihren Augen, von hohem Sonnenlicht besucht,
Zeigt die Aspiration das Bild einer Krone:
Um herauszuwirken eine Saat, die sie hineingeworfen hat,
Um ihre Macht in ihnen zu verwirklichen, dazu leben ihre Geschöpfe.
Ein jedes ist eine Größe, wachsend zu den Höhen
Oder flutend wie der Ozean aus seinem inneren Zentrum heraus;
In kreisenden kleinen Wellen von konzentrischer Kraft
Verschlingen sie, gesättigt, die sie umgebende Welt.
Selbst aus dieser Weite machen viele ein kleines Haus;
Eingepfercht in engere Breiten und knappere Ausblicke
Leben sie zufrieden mit einer kleineren Errungenschaft.
Über ihr eigenes kleines Reich zu herrschen,
Eine Persönlichkeit in ihrem häuslichen Kreis zu sein
Und sich die Freuden und Sorgen des Milieus zu eigen machen
Und sich ihre Lebenstriebe und Lebenswünsche zu erfüllen
Ist Dienst und Pflicht genug für diese Stärke,
Eine Betreuerin des Einzelwesens und seines Geschickes.
Dies war Übergangslinie und Ausgangspunkt,
Eine erste Einwanderung in Himmlichkeit,
Für alle, die diese brillante Sphäre betreten:
Das sind die Verwandten unserer irdischen Art;
Diese Region grenzt an unser sterbliches Land.
Diese weitere Welt gibt uns unsere größeren Regungen,
Ihre starken Formationen erbauen unser wachsendes Selbst;
Ihre Geschöpfe sind unsere helleren Ebenbilder,
Vollenden die Typen, die wir nur beginnen hier,
Und sind gefestigt das, was wir zu sein erstreben.
Wie ausgedachte ewige Charaktere,
Ganz, nicht wie wir im Hin und Her der Gezeiten mitgerissen,
Folgen sie dem ungesehenen Führer im Herzen,
Gehorcht ihr Leben dem Gesetz der inneren Natur.
Dort lagert der Vorrat an Größe, die Gussform des Helden;
Die Seele ist die wachsame Erbauerin des eigenen Geschicks;
Keiner ist ein gleichgültiger und träger Geist;
Sie wählen ihre Seite, sie sehen den Gott, den sie verehren.
Ein Kampf ist entbrannt zwischen dem Wahren und Falschen,
Eine Pilgerreise nimmt ihren Lauf zum göttlichen Licht.
Denn selbst Unwissenheit strebt dort nach Wissen
Und leuchtet mit dem Glanz eines fernen Sterns;
Es gibt ein Wissen im Herzen des Schlafes
Und Natur zeigt sich ihnen als eine bewusste Kraft.
Ein Ideal ist ihr Führer und ihr König:
Ersehnend die Monarchie der Sonne,
Rufen sie als ihre höchste Regierung die Wahrheit herbei
Und halten sie verkörpert im alltäglichen Tun,
Erfüllen Denken mit ihrer inspirierten Stimme
Und gestalten Leben zu ihrer atmenden Form,
Bis auch sie teilhaben an deren sonnengoldenen Göttlichkeit.
Oder sie verschreiben sich der Wahrheit einer Finsternis;
Sie müssen Kriege führen, sei es für den Himmel oder für die Hölle:
Als Streiter des Guten dienen sie einer lichten Sache,
Als Krieger des Bösen stehen sie im Sold der Sünde.
Denn Gut und Böse besitzen gleiches Lehen,
Wo immer Wissen Zwilling der Unwissenheit ist.
Alle Mächte des Lebens tendieren zu ihrer Gottheit hin
In der Weite und Kühnheit jener Luft,
Eine jede erbaut ihren Tempel und verbreitet ihren Kult,
Und auch die Sünde ist dort eine Göttlichkeit.
Behauptend die Schönheit und Herrlichkeit ihres Gesetzes,
Beansprucht sie Leben als ihre natürliche Domäne,
Setzt sich auf den Thron der Welt oder legt die päpstliche Robe an:
Ihre Anbeter proklamieren ihr heiliges Recht.
Eine Falschheit mit roter Tiara ehren sie,
Beten den Schatten eines betrügerischen Gottes an,
Erkennen die schwarze Idee an, die das Gehirn verdreht,
Oder liegen bei der wollüstigen Macht, die die Seele ermordet.
Eine herrische Tugend setzt sich statuenhaft in Positur
Oder eine Titanen-Passion spornt zu hoffärtiger Unruhe an:
Am Altar der Weisheit sind sie Könige und Priester
Oder sie opfern ihr Leben für ein Idol der Macht.
Oder Schönheit scheint auf sie wie ein wandernder Stern;
Zu weit zum Erreichen, folgen sie leidenschaftlich ihrem Licht;
In Kunst und Leben fangen sie den Strahl des Allschönen ein
Und machen zum glänzenden Schatzhaus sich die Welt:
Sogar gewöhnliche Figuren sind mit Wunderbarem bekleidet;
Eine Anmut und Erhabenheit, in jede Stunde eingeschlossen,
Wecken die Freude, die in allen erschaffenen Dingen schläft.
Ein mächtiger Sieg oder auch ein mächtiger Fall,
Ein Thron im Himmel oder ein Pfuhl in der Hölle,
So haben sie die duale Energie gerechtfertigt
Und mit deren gewaltigem Siegel ihre Seelen geprägt:
Was Schicksal ihnen auch bringen mag, sie haben es verdient;
Was sie getan haben, was sie gewesen sind, das leben sie.
Dort ist Materie das Ergebnis und nicht der Grund der Seele.
Im umgekehrten Verhältnis zur Wahrheit der Dinge auf Erden
Wiegt dort das Grobe weniger, Feines zählt mehr;
An inneren Werten hängt der äußere Plan.
Wie das ausdrucksvolle Wort mit dem Gedanken vibriert,
Wie die Tat sich sehnt mit der Leidenschaft der Seele,
So blickt diese augenscheinlich spürbare Konstruktion der Welt
Bebend zurück zu irgendeiner inneren Macht.
Ein Mental, nicht eingeschränkt vom äußeren Sinn,
Versah die Unwägbarkeiten des Geistes mit Zahlen,
Erfasste ohne Stränge die Einwirkungen der Welt
Und übertrug in das konkrete Erschauern des Körpers
Das lebendige Wirken einer körperlosen Kraft;
Mächte, hier unterschwellig, die unsichtbar wirken
Oder im Hinterhalt kauern, hinter der Mauer wartend,
Kamen hervor und enthüllten ihr Antlitz.
Das Okkulte ward dort offenkundig, das Offenkundige bewahrte
Ein Heimliches und schulterte das Unbekannte;
Das Ungesehene ward gefühlt und gab sichtbarer Form einen Stoß.
In der Kommunion zweier sich treffender Gemüter
Sah Denken auf Denken und es bedurfte der Sprache nicht;
Gefühl umarmte in zwei Herzen Gefühl,
Sie spürten des anderen Erschauern in Fleisch und Nerv
Oder schmolzen einer im anderen und wurden unermesslich
Wie wenn zwei Häuser brennen und Feuer sich mit Feuer vereint:
Hass packte Hass und Liebe drang in Liebe ein,
Wille kämpfte mit Wille auf dem unsichtbaren Boden des Mentals;
Empfindungen anderer strömten wie Wellen durch
Und ließen den feingearteten Körper erbeben,
Ihr Zorn stürmte galoppierend in brutalem Angriff,
Ein Sturm trampelnder Hufen auf wankendem Grund;
Man fühlte den Kummer anderer in die Brust eindringen,
Die Freude anderer frohlockend durch die Adern strömen:
Weit entfernte Herzen konnten einander nahe sein, Stimmen nahe,
Die an Küsten fremder Meere sprachen.
Ein Puls lebendigen Austauschs pochte dort:
Wesen fühlte Wesen, wenn es auch fern war,
Und Bewusstsein antwortete Bewusstsein.
Und dennoch war das äußerste Geeintsein nicht da.
Es gab eine Getrenntheit von Seele zu Seele:
Ein innerer Wall von Stille konnte errichtet werden,
Ein Panzer von bewusster Macht zu Schutz und Schild;
Das Wesen konnte in sich verschlossen und einsam sein;
Man konnte von allem losgelöst für sich bleiben, ganz allein.
Doch gab es weder Identität noch den Frieden der Einung.
Alles war noch unvollendet, erst halb erkannt, halb getan:
Das Wunder des Nichtbewussten überschritten,
Das Wunder des Überbewussten still,
Unerkannt, selbstverhüllt, ungefühlt, unkennbar,
Blickte hernieder auf sie, Ursprung all ihres Seins.
Sie kamen als Formen des formlosen Unendlichen,
Lebten als Namen einer namenlosen Ewigkeit.
Der Anfang und das Ende waren dort okkult;
Ein Mittleres wirkte unerklärt, unvermittelt:
Sie waren Worte, die zu einer weiten wortlosen Wahrheit sprachen,
Sie waren Zahlen, die zusammen eine unvollendete Summe ergaben.
Keiner kannte sich wirklich selbst oder die Welt
Oder die Wirklichkeit, die dort in einem Schrein verborgen lebt:
Sie kannten nur, was das Mental nehmen und erbauen konnte
Aus dem gewaltigen Vorrat des geheimen Supramentals.
Eine Finsternis unter ihnen, eine helle Leere über ihnen,
So lebten sie ungewiss in einem großen hinaufsteigenden Raum;
Ein Mysterium erklärten sie durch Mysterien,
Eine rätselhafte Antwort traf auf das Rätsel der Dinge.
Wie er sich so fortbewegte in diesem Äther vieldeutigen Lebens,
Ward er selbst schon bald ein Rätsel für sich selbst;
Alles sah er als Symbole und suchte ihren Sinn.
Durch die springenden Quellen von Tod und Geburt
Und über wandernde Grenzen von Seelenwandlung
Pirschte er, ein Jäger auf der schöpferischen Spur des Geistes,
Auf den mächtigen und feinen Pfaden der Lebensmacht,
Jagend ihre versiegelt ungeheure Wonne
In einem gefährlichen Abenteuer ohne Ende.
Erst zeigten diese großen Schritte kein Ziel:
Er sah nur den weiten Ursprung von allem hier,
Blickend zu einem weiteren Ursprung darüber hinaus.
Denn wie sie sich entfernte von irdischen Linien,
War vom Unbekannten her ein stärkerer Zug zu spüren,
Ein höherer Zusammenhang befreienden Denkens
Trieb sie hin zu Wunder und Entdeckung;
Eine hohe Erlösung von kleinlicheren Sorgen kam,
Ein mächtigeres Bild von Wunsch und Hoffnung,
Eine umfassendere Formel, ein größerer Schauplatz.
Stets kreiste sie einem weit entfernten Licht entgegen:
Noch verhüllten ihre Zeichen mehr, als das sie enthüllten;
Doch gebunden an unmittelbares Sehen und Wollen
Verloren sie ihren Gehalt in der Freude des Gebrauchs,
Bis sie, entblößt von ihrer unendlichen Bedeutung,
Eine wertlose Sache wurden, die mit unwirklichem Sinn erstrahlt.
Bewaffnet mit einem magischen und verwunschenen Bogen
Zielte sie auf ein unsichtbar gehaltenes Ziel,
Das stets fern gewähnt obwohl so nah.
Als einer, der illuminierte Zeichen deutet,
Das Schlüsselbuch eines gekritzelten magischen Textes,
Untersuchte er ihre fein verwickelten seltsamen Entwürfe
Und das verdeckte schwierige Theorem ihrer Hinweise,
Erspürte im ungeheuren Sand der Wüste Zeit
Die Fadenbeginne ihrer Titanenwerke,
Achtete bei der Scharade ihres Tuns auf irgendeinen Hinweis,
Las die No-Gebärden ihrer Silhouetten
Und strebte, in deren beladenem Treiben
Die Tanzfantasie ihrer Sequenzen zu erfassen,
Die sich in rhythmisches Mysterium entzog,
Ein Schimmer von flüchtigen Füßen auf fliehendem Grund.
Im Labyrinth-Muster ihrer Gedanken und Hoffnungen
Und auf den Nebenwegen ihrer intimen Wünsche,
In den verwinkelten Ecken, vollgepackt mit ihren Träumen,
Und in Runden, durchkreuzt von einer Intrige belangloser Runden,
Ein Wanderer, herumirrend zwischen flüchtigen Szenen,
Verlor er deren Zeichen und jagte jeder Mutmaßung nach.
Stets traf er auf Schlüsselworte, doch kannte deren Schlüssel nicht.
Eine Sonne, die ihr eigenes Augenlicht blendet,
Eines leuchtenden Rätsels brillante Haube
Erleuchtete die dichte purpurne Schranke von Denkens Himmel:
Eine schummrig weite Trance zeigte der Nacht ihre Sterne.
Als säße er nahe am Spalt eines offenen Fensters,
Las er bei dicht aufeinanderfolgenden Lichtblitzen blitzschnell
Kapitel ihrer metaphysischen Romanze
Von der Suche der Seele nach verlorener Wirklichkeit,
Ihre Fiktionen, geschöpft aus den authentischen Fakten des Geistes,
Ihre Launen und Einbildungen und verschlossenen Bedeutungen,
Ihre ungestümen unerfassbaren Einfälle und mysteriösen Wendungen.
Die prächtigen Verhüllungen ihrer Heimlichkeit,
Die ihren begehrenswerten Körper vor jedem Blick verbergen,
Die seltsam bedeutsamen Gebilde, eingewebt in ihre Robe,
Ihre bedeutungsvollen Umrisse der Seelen in Dingen
Sah er, ihre trügerischen Transparenzen von Gedankenfärbung,
Ihre prächtigen Brokate mit aufgenähten Fantasiegebilden
Und wandlungsfähigen Masken und Stickereien der Verschleierung.
Tausend verwirrende Gesichter der Wahrheit
Sahen aus ihren Formen ihn an mit unbekannten Augen,
Und wortlose Münder, unerkennbar,
Sprachen aus den Gestalten ihrer Maskerade
Oder blickten verstohlen aus der abstrusen Herrlichkeit
Und dezenten Pracht ihrer Drapierungen hervor.
In plötzlichen Lichtblitzen des Unbekannten
Wurden ausdruckslose Klänge wahrheitskündend,
Ideen, die bedeutungslos erschienen, ließen Wahrheit aufblitzen;
Stimmen, die aus ungesehenen wartenden Welten kamen,
Äußerten die Silben des Ungeoffenbarten,
Um den Körper des mystischen Wortes einzukleiden,
Und Zauberdiagramme des okkulten Gesetzes
Versiegelten eine präzise unlesbare Harmonie
Oder verwendeten Farbe und Form zur Wiederherstellung
Des Herolds-Wappen geheimer Dinge der Zeit.
In ihren grünen Wildnissen und lauernden Tiefen,
In ihren Dickichten der Freude, wo Gefahr Wonne umarmt,
Erblickte er flüchtig die versteckten Flügel ihrer Sänger-Hoffnungen,
Ein Schimmer von Blau und Gold und scharlachrotem Feuer.
Auf ihren verdeckten Pfaden, die ihre zufälligen Feldwege säumen,
Und an ihren singenden Bächen und stillen Seen
Fand er das Leuchten ihrer goldenen Früchte der Seligkeit
Und die Schönheit ihrer Blumen des Traumes und der Muse.
Gleich einem Wunder von Herzens Wandlung durch Freude,
Beobachtete er im alchemistischen Erstrahlen ihrer Sonnen
Den karminroten Ausbruch der einen weltlichen Blüte
Am Opferbaum der spirituellen Liebe.
In der schläfrigen Pracht ihrer Mittage sah er,
Eine fortwährende Wiederholung über Stunden hinweg,
Des Denkens Libellentanz am Strom des Mysteriums,
Der über seines Geplätschers Dahinrennen huscht aber nie erprobt,
Und hörte das Lachen ihrer Rosen-Gelüste,
Die da eilten, als wollten sie ersehnten Händen entfliehen,
Süß klingelnd mit Fußgelenkglöckchen der Fantasie.
Inmitten lebendiger Symbole ihrer okkulten Macht
Bewegte er sich und empfand sie als greifbar nahe Formen:
In jenem Leben, viel konkreter als das Leben der Menschen,
Pochten Herzschläge der verborgenen Wirklichkeit:
Verkörpert war dort, was wir nur denken und fühlen,
Selbstgestaltet, was hier äußere geborgte Formen trägt.
Ein Kamerad des Schweigens auf ihren feierlichen Höhen,
Angenommen von ihrer mächtigen Einsamkeit,
Stand er bei ihr auf andachtsvollen Gipfeln,
Wo Leben und Sein ein Sakrament sind,
Dargebracht dem Wirklichen über allem,
Und er sah, wie sie in die Unendlichkeit
Ihre behaubten Adler der Bedeutsamkeit entließ,
Die Botschafter des Denkens an den Unkennbaren.
Identifiziert in Seelenschau und Seelensinn,
In ihre Tiefen einkehrend wie in ein Haus,
Ward er alles, was sie war oder zu sein sich wünschte,
Er dachte ihre Gedanken und wanderte mit ihren Schritten,
Lebte mit ihrem Atem und erforschte alles mit ihren Augen,
Dass so er das Geheimnis ihrer Seele erfährt.
Als Zeuge, der überwältigt ist von seinem Schauplatz,
Bestaunte er ihre glänzende Vorderseite voll Pomp und Spiel
Und die Wunder ihres reichen und feinen Handwerks,
Und erschauerte bei der Eindringlichkeit ihres Rufes;
Leidenschaftlich ertrug er die Zaubereien ihrer Macht,
Fühlte ihren jähen mysteriösen Willen auf sich gelegt,
Ihre Hände, die mit ihrem ungestümen Griff Schicksal kneten,
Ihre Berührung, die bewegt, ihre Mächte, die ergreifen und treiben.
Doch auch dies sah er, ihre Seele, die im Innern weinte,
Ihr vergebliches Suchen, das nach fliehender Wahrheit greift,
Ihr Hoffen, dessen düsterer Blick sich mit Verzweiflung paart,
Die Leidenschaft, die ihre lechzenden Glieder verzehrt,
Die Sorge und Verzückung ihrer sehnsuchtsvollen Brüste,
Ihr mentaler Geist, der sich plagt, unzufrieden mit seinen Früchten,
Ihr Herz, das den einen Geliebten nie erfasst.
Immer traf er eine verhüllte und suchende Kraft,
Eine verbannte Göttin, die mimische Himmel erbaut,
Eine Sphinx, deren Augen zu einer verborgenen Sonne aufschauen.
Stets fühlte er in ihren Formen nah einen Geist:
Dessen passive Präsenz war die Stärke ihrer Natur;
Dies allein ist wirklich in scheinbaren Dingen,
Selbst auf Erden ist der Geist des Lebens Schlüssel,
Doch nirgends trägt ihr solides Äußeres seine Spur.
Sein Stempel auf ihren Taten ist unauffindbar.
Als Pathos verlorener Höhen lockt sein Ruf.
Nur manchmal wird eine schemenhafte Linie eingefangen,
Die einen Hinweis auf die verschleierte Realität zu geben scheint.
Das Leben starrte ihn mit vagen verworrenen Umrissen an,
Ein Bild anbietend, das die Augen nicht bewahren konnten,
Eine Geschichte, die dort noch nicht geschrieben ward.
Wie in einem bruchstückhaften halbverlorenen Entwurf
Entzogen des Lebens Bedeutungen sich dem nachgehenden Auge.
Des Lebens Gesicht verbirgt des Lebens wahres Selbst vor dem Blick;
Des Lebens geheimer Sinn ist im Innern, oben vermerkt.
Das Denken, das es deutet, lebt fern darüber;
In seinem halbfertigen Entwurf wird es nicht entdeckt.
Vergeblich hoffen wir, die wirren Zeichen zu lesen
Oder das Wort der halbgespielten Scharade zu finden.
Nur in jenem größeren Leben findet sich ein kryptisches Denken,
Findet sich der Hinweis eines erklärenden Wortes,
Das aus dem Erden-Mythos eine intelligente Erzählung macht.
Schließlich ward doch etwas gesehen, das der Wahrheit glich.
In der halberhellten Luft eines gefahrvollen Mysteriums
Konnte das Auge, das auf die dunkle Hälfte der Wahrheit schaute,
Inmitten einer lebhaften Verschwommenheit ein Bild ausmachen,
Und wie er so spähte durch einen Nebel von feinen Farbtönungen,
Sah er eine halbblinde angekettete Gottheit,
Verwirrt von der Welt, in der er sich bewegte,
Doch eines Lichtes bewusst, das seiner Seele weiterhalf.
Gelockt zu seltsamen entlegenen Schimmern,
Geführt vom Flötenspiel eines fernen Spielers,
Suchte er seinen Weg zwischen Lachen und Rufen der Lebensmacht
Und dem Hinweis-Chaos ihrer Myriaden Schritte
Gen irgendeiner total tiefen Unendlichkeit.
Ringsum drängte sich der Wald ihrer Zeichen:
Auf gut Glück las er durch Pfeilschüsse des Denkens,
Das durch Vermutung oder leuchtenden Zufall ins Schwarze traf,
Ihre farbig wechselnden Straßenlichter der Idee
Und ihre Signale ungewisser plötzlicher Geschehnisse,
Die Hieroglyphen ihrer Symbol-Gepränge
Und ihre Meilensteine auf den verschlungenen Pfaden der Zeit.
In ihren Labyrinthen des sich Nahens und Entfernens
Zieht sie ihn nach jeder Seite und treibt ihn zurück,
Doch hat sie ihn zu nahe, entflieht sie seiner Umarmung;
Alle Wege führt sie ihn, doch ist keiner gewiss.
Gebannt von dem klangreichen Wunder ihres Gesanges,
Gelockt von der Zauberkraft ihrer Stimmungen
Und bewegt von ihrer beiläufigen Berührung zu Freude und Gram,
Verliert er sich in ihr, doch gewinnt sie nicht.
Ein flüchtiges Paradies lächelt ihn aus ihren Augen an:
Er träumt von ihrer Schönheit, als sei sie für immer sein,
Er träumt von seiner Meisterschaft, die ihre Glieder ertragen sollen,
Er träumt vom Zauber ihrer Brüste der Seligkeit.
In ihrer illuminierten Schrift, ihrer fantasievollen
Übertragung von Gottes reinem Urtext,
Meint er, die Heilige Schrift des Wunderbaren zu lesen,
Hieratischer Schlüssel zu unbekannten Seligpreisungen.
Doch das Wort des Lebens ist in seiner Schrift verborgen,
Das Lied des Lebens hat seinen göttlichen Ton verloren.
Ungesehen, ein Gefangener in einem Haus des Klanges,
Lauscht der Geist, verloren in der Herrlichkeit eines Traumes,
Der Ode einer tausendstimmigen Illusion.
Ein zarter Schuss Zauberei stiehlt das Herz
Oder feurig färbt Magie ihre Töne und Schattierungen,
Doch nur einen Schauer von vergänglicher Anmut wecken sie;
Mit vagabundierendem Marsch, angetrieben vom Wanderer Zeit,
Rufen sie zu einer kurzen unbefriedigten Wonne auf
Oder schwelgen in Verzückungen von Mental und Sinn,
Doch verfehlen die leuchtende Antwort der Seele.
Ein blinder Herzschlag, der Freude durch Tränen erlangt,
Ein Sehnen nach Gipfeln, die man nie erreicht,
Eine Ekstase unerfüllter Begehren
Folgen den letzten Aufschwüngen ihrer Stimme gen Himmel.
Verwandelt sind Erinnerungen an vergangene Leiden
In die lieblich entfliehende Spur einer alten Traurigkeit:
Gewandelt sind ihre Tränen in Juwelen diamantener Pein,
Ihr Kummer in eine magische Krone von Gesang.
Kurz sind ihre Momente des Glücks,
Das die Oberfläche berührt, dann schwindet oder stirbt:
Eine verlorene Erinnerung hallt in ihren Tiefen,
Ein todloses Sehnen verbleibt ihr, ein Ruf von verhülltem Selbst;
Als ein Gefangener in der begrenzenden Welt des Sterblichen
Schluchzt in ihrer Brust, vom Leben gezeichnet, ein Geist;
Ein innig gehegtes Leiden ist ihr tiefster Schrei.
Ein Wanderer auf einsam trostlosen Straßen,
An Wegen des Klanges entlang ruft eine verzweifelte Stimme,
Im Stich gelassen, nach einer vergessenen Glückseligkeit.
Verirrt in den Echo-Höhlen des Begehrens
Hütet sie die Phantome toter Hoffnungen einer Seele
Und hält die Stimme verstorbener Dinge am Leben
Oder verweilt bei süßen und verirrten Noten,
Jagend nach Vergnügen im Herzen der Pein.
Eine verhängnisvolle Hand hat die kosmischen Saiten berührt
Und das Eindringen eines verworrenen Klanges
Überdeckt die verborgene Tonart der inneren Musik,
Die ungehört die Kadenzen der Oberfläche lenkt.
Und doch macht es Freude zu leben und zu erschaffen,
Macht es Freude zu lieben und zu mühen, auch wenn nichts gelingt,
Macht es Freude zu suchen, wenn auch alles, was wir finden, trügt
Und alles, worauf wir bauen, sich nicht bewährt;
Doch etwas in den Tiefen war den Schmerz wert,
Eine glühende Erinnerung sucht uns heim mit dem Feuer der Ekstase.
Sogar Kummer hält unter seinen Wurzeln Freude verborgen:
Denn nichts, was der Eine erschuf, ist wahrhaft umsonst:
In unserem bezwungenen Herz lebt Gottes Stärke fort,
Noch immer erhellt des Sieges Stern unseren hoffnungslosen Weg;
Unser Tod dient als Durchgang zu neuen Welten.
Dies lässt die Musik der Lebensmacht zur Hymne anschwellen.
Allem verleiht sie die Glorie ihrer Stimme;
Des Himmels Verzückungen raunen ihrem Herzen zu und ziehen vorüber,
Der Erde flüchtige Sehnsüchte schreien von ihren Lippen und verblassen.
Allein die von Gott gegebene Hymne entzieht sich ihrer Kunst,
Die mit ihr aus ihrer spirituellen Heimat kam,
Doch auf halbem Wege inne hielt und verhallte, ein schweigendes Wort,
In einer tiefen Pause wartender Welten wach,
Ein Gemurmel, verhalten in der Stille der Ewigkeit:
Doch aus dem himmlischen Frieden kommt kein Hauch:
Ein opulentes Zwischenspiel beansprucht das Ohr
Und das Herz hört zu und die Seele willigt ein;
Eine schwindende Musik wiederholt sie,
Verschwendend an Vergängliches die Ewigkeit der Zeit.
Ein Tremolo der Stimmen der Stunden
Schirmt in Vergesslichkeit das hochgesteckte Thema ab,
Das der selbstverkörperte Geist zu spielen kam
Auf dem weiten Klavichord der Naturkraft.
Einzig ein mächtiges Raunen hier und da
Des ewigen Wortes, der wonnevollen Stimme
Oder des Schönen Berührung, das Herz und Sinn verklärt,
Eine schweifende Pracht und ein mystischer Ruf,
Erinnert an die Kraft und Anmut, nicht mehr gehört.
Hier ist die Kluft, hier stoppt oder versinkt der Lebensmacht Kraft;
An diesem Mangel verarmt der Zauberin Kunst:
Diese Lücke lässt alles andere spärlich und kahl erscheinen.
Eine Halbsicht zieht den Horizont ihrer Taten:
Ihre Tiefen erinnern daran, was zu tun sie kam,
Doch das Mental hat es vergessen oder das Herz verkennt es:
In den endlosen Linien der Natur ging der Gott verloren.
Im Wissen Allwissenheit zu summieren,
Im Handeln den Allmächtigen zu errichten,
Ihren Schöpfer hier zu erschaffen, war ihr Herzensanliegen,
Den kosmischen Schauplatz völlig mit Gott zu durchdringen.
Sich bemühend, das noch ferne Absolute
In eine alles erfüllende Epiphanie umzuwandeln,
In einen Ausdruck des Unbeschreiblichen,
Möchte sie hierher die Glorie der Kraft des Absoluten bringen,
Das Verharren in rhythmisches Schwingen der Schöpfung wandeln,
Die Ruhe eines Himmels mit einem Meer von Seligkeit vermählen.
Ein Feuer, um Ewigkeit in die Zeit zu rufen,
Die Freude des Körpers so lebendig wie die der Seele zu machen,
Erde möchte sie erheben in die Nachbarschaft mit dem Himmel,
Mühte sich, das Leben dem Höchsten anzugleichen
Und den Ewigen mit dem Abgrund zu versöhnen.
Ihr Pragmatismus der transzendenten Wahrheit
Füllt das Schweigen mit den Stimmen der Götter,
Doch in dem Geschrei geht die eine Stimme verloren.
Denn die Schau der Natur klimmt über ihr Tun hinaus.
Ein Leben der Götter im Himmel sieht sie dort oben,
Ein aus dem Affen hervorgehender Halbgott
Ist alles, was sie in unserem sterblichen Element vermag.
Der Halbgott, der Halbtitan ist hier ihr Gipfel:
Dies größere Leben schwankt zwischen Erde und Himmel.
Ein schmerzliches Paradoxon verfolgt ihre Träume:
Ihre vermummte Energie bewegt eine ignorante Welt,
Um ein Glück zu suchen, das ihr eigener starker Griff vereitelt:
In ihrer Umarmung kann sie sich nicht ihrem Ursprung zuwenden.
Unermesslich ihre Macht, unerschöpflich ihr Tatendrang,
Dessen Bedeutsamkeit gewichen und verloren gegangen.
Obwohl sie in ihrer geheimen Brust
Das Gesetz und die wandernde Kurve alles Geborenen trägt,
Scheint doch ihr Wissen beschränkt, ihre Absicht klein zu sein;
Auf einem Boden der Sehnsucht schreiten ihre kostbaren Stunden.
Ein bleiernes Nichtwissen lastet auf den Schwingen des Denkens,
Ihre Macht bedrückt das Wesen mit seinen Gewändern,
Ihre Taten halten seinen unsterblichen Blick gefangen.
Ein Gefühl von Begrenztheit sucht ihre Meisterschaften heim
Und nirgendwo ist Zufriedenheit oder Friede gewährleistet:
Denn bei aller Tiefe und Schönheit ihrer Werke
Fehlt es an Weisheit, die den Geist befreit.
Ein alter und verblasster Liebreiz zeichnet nun ihr Gesicht
Und verleidete ihm ihre schnelle und kuriose Lehre;
Seine weite Seele verlangte nach einer tieferen Freude als die ihrige.
Aus ihren dädalischen Linien suchte er zu entkommen;
Doch fand er kein Tor aus Horn oder Elfenbein
Und keine Hinterpforte spiritueller Sicht,
Da war kein Ausgang aus jenem traumgleichen Raum.
Unser Wesen muss sich ewig durch die Zeit bewegen;
Tod hilft uns nicht, vergeblich ist die Hoffnung auf ein Ende;
Ein geheimer Wille zwingt uns auszuharren.
Ruhe findet unser Leben im Unendlichen;
Es kann nicht enden, sein Ende ist ein allerhöchstes Leben .
Tod ist ein Durchgang, nicht das Ziel unseres Wanderns:
Eine uralte tiefe Triebkraft arbeitet weiter:
Unsere Seele wird wie an einer versteckten Leine gezogen,
Gezerrt von Geburt zu Geburt, von Welt zu Welt,
Unsere Taten verlängern nach dem Ableben des Körpers
Die alte unaufhörliche Reise pausenlos.
Kein stiller Gipfel lässt sich finden, wo Zeit zu rasten vermag.
Dies war ein magischer Strom, der kein Meer erreicht.
Wie weit er auch ging, wohin er sich auch wandte,
Das Rad der Werke lief mit ihm und voraus;
Immer blieb eine weitere Arbeit zu tun.
Ein Takt der Tat und ein Ruf der Suche
Erwuchsen ständig in jener unruhigen Welt;
Ein geschäftiges Gemurmel erfüllte das Herz der Zeit.
Alles war ausgeklügelt und unaufhörlich in Bewegung.
Vergeblich wurden hundert Lebensweisen versucht:
Eine Gleichheit, die tausend Formen annahm,
Strebte ihrer endlosen Monotonie zu entgehen
Und schuf neue Dinge, die bald den alten glichen.
Eine kuriose Dekoration verlockte das Auge
Und neuartige Werte frischten uralte Themen wieder auf,
Um das Mental mit der Vorstellung von Veränderung zu täuschen.
Ein Bild, das verschieden war und doch dasselbe,
Erschien auf dem kosmisch vagen Hintergrund.
Einzig ein anderes labyrinthisches Haus
Von Geschöpfen und ihren Verrichtungen und Geschehnissen,
Eine Stadt des Verkehrs gebundener Seelen,
Ein Markt der Schöpfung und ihrer Waren,
Ward angeboten dem mühenden Mental und Herz.
Einen Rundlauf, endend wo er begonnen hat,
Nennt man den vorwärts gerichteten und ewigen Marsch
Des Fortschritts auf der unbekannten Straße der Perfektion.
Jedem endgültigen Schema folgt ein nächster Plan.
Doch scheint jeder neue Start der letzte zu sein,
Inspiriertes Evangelium, letzter Höhepunkt der Theorie,
Verkündend ein Allheilmittel für alle Übel der Zeit
Oder emportragend das Denken zu seinem äußersten Höhenflug
Und herausposaunend die höchste Entdeckung;
Eine jede flüchtige Idee, eine vergängliche Struktur,
Publiziert die Unsterblichkeit ihrer Regel,
Ihren Anspruch, der Dinge vollkommene Form zu sein,
Der Wahrheit letzter Inbegriff, das goldne Beste der Zeit.
Doch von unendlichem Wert ward nichts erreicht:
Eine stets erneuerte, nie vollständige Welt
Stapelte stets nur Halberfolge auf Misserfolge
Und sah ein Bruchstück als das ewige Ganze an.
In der planlosen Anhäufung von erledigten Dingen
Erschien das Dasein als ein Akt eitler Notwendigkeit,
Ein Ringen zwischen ewigen Gegensätzen
In der engen Umschlingung eines festgefahrenen Widerstreites,
Ein Schauspiel ohne Ausgang oder Konzept,
Ein Hungermarsch von Leben ohne ein Ziel,
Oder, auf eine leere Wandtafel des Raumes geschrieben,
Eine nichtige und wiederkehrende Summe von Seelen,
Eine Hoffnung, die unerfüllt blieb, ein Licht, das niemals schien,
Die Mühsal einer unvollendeten Kraft,
Gekettet an ihre Taten in einer düsteren Ewigkeit.
Es gibt kein Ende oder keines ist bislang zu sehen:
Wenn auch besiegt, die Lebensmacht muss weiter kämpfen;
Immer sieht sie eine Krone, die sie nicht ergreifen kann;
Ihre Augen sind über ihren gefallenen Zustand hinaus fixiert.
Noch immer bebt in ihrer und unserer Brust
Eine Glorie, die einst war und nicht mehr ist,
Oder es ruft uns aus einem unerfüllten Jenseits
Eine Größe zu, noch unerreicht von der zögernden Welt.
In einem Gedächtnis hinter unserem sterblichen Sinn
Verbleibt ein Traum von weiterer glücklicherer Luft,
Die um freie Herzen der Freude und Liebe weht,
Vergessen von uns, unsterblich in verlorener Zeit.
Ein Gespenst der Seligkeit geht in ihren verhexten Tiefen um;
Denn noch entsinnt sie sich, wenn auch nun so fern,
Ihres Reiches der goldnen Leichtigkeit und freudiger Begier
Und der Schönheit und Stärke und Freude, die ihr eigen waren
In der Lieblichkeit ihres strahlenden Paradieses,
In ihrem Königreich unsterblicher Ekstase
Halbwegs zwischen Gottes Schweigen und dem Abgrund.
Dieses Wissen bewahren wir in unseren verborgenen Teilen;
Wach für die Anziehungskraft eines vagen Mysteriums
Begegnen wir einer tiefen ungesehenen Wirklichkeit,
Weitaus wahrer als der Welt Antlitz gegenwärtiger Wahrheit:
Uns jagt ein Selbst, an das wir uns nicht mehr erinnern können,
Uns bewegt ein Geist, den wir noch werden müssen.
Wie jemand, der das Königreich seiner Seele verloren hat,
Blicken wir auf eine gotthafte Phase unserer Geburt zurück,
Anders als dies unvollkommene Geschöpf hier,
Und hoffen in dieser oder einer göttlicheren Welt
Von des Himmels geduldigen Wächtern das zurückzugewinnen,
Was wir durch die Vergesslichkeit unseres Mentals entbehren,
Unseres Wesens angeborene Glückseligkeit,
Unseres Herzens Freude, die wir gegen Kummer tauschten,
Des Körpers Schauer, den wir für bloßen Schmerz verschacherten,
Die Seligkeit, die unsere sterbliche Natur ersehnt
Wie eine obskure Motte sich nach gleißendem Lichte sehnt.
Unser Leben ist ein Marsch zu einem nie errungenen Sieg.
Diese Welle des Seins, die sich nach Wonne sehnt,
Dieses eifrige Getümmel unbefriedigter Kräfte,
Diese langen fernen Reihen vorwärtsdrängender Hoffnungen
Richten verehrende Augen zur blauen Leere empor, Himmel genannt,
Ausschauend nach der goldnen Hand, die niemals kam,
Der Ankunft, auf die die ganze Schöpfung wartet,
Dem wunderschönen Angesicht der Ewigkeit,
Das auf den Straßen der Zeit erscheinen soll.
Dennoch sagen wir uns selbst, um Glauben wieder aufleben zu lassen:
„Oh, gewiss kommt er eines Tages auf unseren Ruf,
Eines Tages wird er unser Leben neu erschaffen
Und die Zauberformel des Friedens aussprechen
Und Vollkommenheit in das Gefüge der Dinge bringen.
Eines Tages wird er herab zum Leben und zur Erde steigen,
Verlassend die Heimlichkeit der ewigen Tore,
In eine Welt, die ihn um Hilfe anfleht,
Und die Wahrheit bringen, die den Geist befreit,
Die Freude, die der Seele Taufe ist,
Die Stärke, die der ausgestreckte Arm der Liebe ist.
Eines Tages wird er den schrecklichen Schleier seiner Schönheit lüften,
Dem klopfenden Herz der Welt Wonne auferlegen
Und seinen geheimen Körper des Lichtes und der Seligkeit entblößen.“
Noch aber streben wir einem unbekannten Ziel entgegen:
Dem Suchen und Geborenwerden sind kein Ende gesetzt,
Dem Sterben und der Wiederkehr sind kein Ende gesetzt;
Das Leben, das sein Ziel erreicht, verlangt nach höheren Zielen,
Das Leben, das versagt und stirbt, muss wieder leben;
Es kann nicht enden, bis es sich selbst gefunden hat.
Zu vollbringen gilt es, wofür Leben und Tod geschaffen wurden.
Doch wer kann schon sagen, dass selbst dann Ruhe ist?
Oder Ruhe und Aktion sind dasselbe dort
In der tiefen Brust von Gottes höchster Wonne.
In einem hohen Zustand, wo es Unwissenheit nicht mehr gibt,
Ist jede Bewegung eine Woge von Frieden und Seligkeit,
Ruhe die reglose schöpferische Kraft Gottes,
Aktion ein Wellenkräuseln im Unendlichen
Und Geburt eine Geste der Ewigkeit.
Noch kann eine Sonne der Verklärung scheinen
Und Nacht den Kern ihres mystischen Lichtes entblößen;
Das selbstaufhebende, selbstquälende Paradoxon
Mag sich in ein selbststrahlendes Mysterium wandeln,
Das Durcheinander in ein freudiges Wunder.
Dann könnte Gott hier sichtbar sein, hier Gestalt annehmen;
Enthüllt wäre des Geistes Identität;
Die Lebensmacht würde ihr wahres unsterbliches Antlitz offenbaren.
Aber jetzt ist eine müßige Arbeit ihr Geschick:
In ihrem wiederkehrenden Dezimal von Ereignissen
Sind Geburt und Tod die Stellen einer unaufhörlichen Abfolge;
Das alte Fragezeichen steht am Ende einer jeden Seite,
In jedem Band der Historie ihres Bemühens.
Ein hinkendes Ja durchwandert die Äonen noch,
Begleitet von einem ewigen Nein.
Umsonst scheint alles, doch niemals endet das Spiel.
Teilnahmslos dreht sich das ewig rollende Rad,
Leben hat keine Lösung, Tod bringt keine Befreiung.
Als ein Gefangener seiner selbst lebt das Wesen
Und wahrt seine nutzlose Unsterblichkeit;
Auslöschung wird verwehrt, seine einzige Flucht.
Ein Irrtum der Götter hat die Welt gemacht.
Oder gleichgültig blickt der Ewige auf die Zeit.
Ende des sechsten Cantos