SAVITRI

Der Gesang des Unendlichen und Ewigen

Ausgewählte Zeilen aus den Büchern:


Das Buch von den Anfängen

Das Buch vom Weltenwanderer

Das Buch von der Göttlichen Mutter

Das Buch von der Geburt und Suche

Das Buch von der Liebe

Das Buch vom Schicksal

Das Buch vom Yoga

Das Buch vom Tod

Das Buch von der ewigen Nacht

Das Buch vom doppelten Zwielicht

Das Buch vom immerwährenden Tag

Epilog



Ausgewählte Zeilen aus dem

Buch von den Anfängen


  1. Das Sinnbild Morgendämmerung
  2. Der Auftrag
  3. Der Yoga des Königs: Der Yoga von der Befreiung der Seele
  4. Das geheime Wissen
  5. Der Yoga des Königs: Der Yoga von der Freiheit und Größe des Geistes

Das Sinnbild Morgendämmerung

Der dunkle Anfang

Es war die Stunde, bevor die Götter erwachen.

Quer über dem Pfad des göttlichen Ereignisses

Lag die Nacht mit riesigem ahnungsvollem Geist, allein

In ihrem unerhellten Tempel der Ewigkeit,

Reglos ausgestreckt an des Schweigens Rand.

Fast fühlte man, undurchschaubar, undurchdringbar,

In dem düsteren Sinnbild ihrer augenlosen Muse

Den Abgrund des unverkörpert Unendlichen;

Eine unergründbare Null erfüllte die Welt.

Eine Macht gefallenen grenzenlosen Selbstes, wach

Zwischen dem ersten und dem letzten Nichtsein,

Zurückrufend den dunklen Mutterleib aus dem sie kam,

Wandte sich ab vom unauflösbaren Mysterium der Geburt

Und dem langsamen Prozess der Sterblichkeit

Und sehnte sich nach ihrem Ende in leerem Nichts.

Dem dunklen Anfang aller Dinge gleichend,

Wiegte des Unbekannten stumme merkmallose Erscheinung,

Ewig wiederholend den unbewussten Akt,

Ewig verlängernd den nicht-sehenden Willen,

Die kosmische Schlaftrunkenheit unwissender Kraft,

Deren bewegt schöpferischer Schlummer die Sonnen zündet

Und in ihrem schlafwandelndem Wirbel unser aller Leben trägt.

Quer durch die sinnlos enorme Trance des Raumes,

Ihre formlose Starre ohne Denken oder Leben,

Ein Schatten, kreiselnd durch eine seelenlose Leere ,

Noch einmal zurückgeworfen in gedankenlose Träume,

Rollte die Erde einsam und verlassen in den hohlen Abgründen

Im Vergessen ihres Geistes und ihrer Bestimmung.

I.1.1-28

Die Offenbarung und die Flamme

Unmerklich begann irgendwo ein Bruch:

Eine lange einsame Linie zögernder Färbung

Gleich einem vagen Lächeln, das lockt ein verödet Herz,

Wühlte auf den fernen Saum des Lebens dunklen Schlaf.

Von der anderen Seite der Grenzenlosigkeit angelangt,

Spähte ein Gottheitsauge durch die stummen Untiefen;

Ein Späher auf Erkundung von der Sonne her,

So schien es inmitten einer schweren kosmischen Ruhe,

Der Erstarrung einer kranken und überdrüssigen Welt,

Nach einem einsamen und verzweifelten Geist zu suchen,

Zu tief gefallen, um sich vergessener Seligkeit zu erinnern.

Eingreifend in ein mentalloses Universum,

Schlich seine Botschaft durch die widerstrebende Stille,

Rufend das Abenteuer des Bewusstseins und der Freude,

Und, erobernd der Natur ernüchterte Brust,

Erzwang erneute Zustimmung zum Sehen und Fühlen.

Ein Gedanke ward gesät in der klanglosen Leere,

Ein Sinn ward geboren in den Tiefen der Finsternis,

Eine Erinnerung erbebte im Herzen der Zeit

Als würde eine längst verstorbene Seele zum Leben erweckt:

Doch das Vergessen, das dem Falle folgt,

Hatte die vollen Tafeln der Vergangenheit gelöscht,

Und alles, was vernichtet wurde, musste neu errichtet

Und alte Erfahrung neu erarbeitet werden.

Alles kann getan werden, wenn da die Hand Gottes ist.

Eine Hoffnung stahl sich ein, die kaum zu sein sich wagte

In der trostlosen Gleichgültigkeit der Nacht .

Als ob es sich anbot in einer fremden Welt

Scheu und verwegen mit unwillkürlicher Anmut,

Verwaist und hinausgetrieben ein Heim zu suchen,

Ein umherirrend Wunderbares ohne einen Platz zum Leben,

So kam in einen entlegenen Winkel des Himmels

Die leise flehentliche Bitte einer zögerlich wundersamen Geste.

Die anhaltende Erregung einer verklärenden Berührung

Überzeugte die träge schwarze Stille

Und Schönheit und Wunder brachten Gottes Gefilde durcheinander.

Eine schweifende Hand aus blass zauberhaftem Lichte,

Die an der Schwelle eines dahinschwindenden Augenblicks erglühte,

Errichtete aus goldnen Paneelen und schillernden Scharnieren

Ein Tor aus Träumen, halb offen zur Schwelle des Mysteriums.

Eine lichte Ecke, die das Verborgene sichtbar machte,

Zwang die blinde Unermesslichkeit der Welt zum Sehen.

Die Dunkelheit verging und glitt wie ein fallender Umhang

Vom ruhenden Körper eines Gottes ab.

Dann, durch den schmalen Spalt, der zunächst

Kaum groß genug erschien für einen Rinnsal von den Sonnen,

Ergossen sich die Offenbarung und die Flamme.

I.1.54-100

Das Gotteslicht

Alles wurde eine Weihung und ein feierlicher Akt.

Luft war ein vibrierendes Bindeglied zwischen Erde und Himmel;

Der weitschwingende Hymnus eines hehren priesterlichen Windes

Erhob sich und verhallte auf den Altarhügeln;

Die hohen Äste beteten in einem enthüllenden Himmelszelt.

Hier, wo unsere halberhellte Unwissenheit die Abgründe umsäumt

Auf dem stummen Schoß der zweideutigen Erde,

Hier, wo man nicht einmal den nächsten Schritt erkennt

Und Wahrheit ihren Thron auf dem schattigen Rücken des Zweifels hat,

Auf diesem qualvollen und bedrohlichen Feld des Mühens

Ausgebreitet unter einem weiten gleichgültigen Blick,

Unserer Freude und Trauer unparteiischem Zeugen,

Ertrug unser darniederliegender Boden den erweckenden Strahl.

Auch hier entfachte die Vision und der prophetische Schimmer

Gewöhnliche bedeutungslose Formen zu Wundern;

Dann wich der göttliche Afflatus zurück, erschöpft,

Unerwünscht, entschwindend aus des Sterblichen Bereich.

Eine heilige Sehnsucht blieb noch in seiner Spur,

Die Verehrung einer Präsenz und einer Macht,

Zu vollkommen, von todgebundenen Herzen bewahrt zu werden,

Die Vorahnung einer wunderbaren Geburt, die da kommen wird.

Nur kurz kann das Gotteslicht verweilen:

Spirituelle Schönheit, erleuchtend menschliches Sehen,

Umsäumt mit dessen Passion und Mysterium der Materie Maske

Und verstreut Ewigkeit auf einen Schlag der Zeit.

Wie wenn sich eine Seele der Geburtsschwelle nähert,

Hinzufügend sterbliche Zeit der Zeitlosigkeit,

Ein Funke der Gottheit, verloren in der Krypta der Materie,

Dessen Glanz verblasst in den nichtbewussten Schichten,

So ward diese flüchtige Glut magischen Feuers

Jetzt aufgelöst in heller gewohnter Luft.

Die Botschaft verstummte und die Botin verschwand.

Der einmalige Ruf, die alleinige Macht,

Nahm nun zurück in eine fern geheime Welt

Das Farbspiel und Wunder des überirdischen Strahls:

Sie sah nicht mehr auf unsere Sterblichkeit.

Das Übermaß an Schönheit, von Natur aus der Gottart eigen,

Konnte seinen Anspruch auf zeitgeborene Augen nicht wahren;

Zu mystisch-wirklich für Raumbesitz

Ward ihr Leib der Herrlichkeit aus dem Himmel gelöscht:

Die Seltenheit und das Wunder lebten nicht mehr.

Es blieb das gewöhnliche Licht des irdischen Tages.

Entlassen aus der Erholung von Ermüdung

Setzte der Trubel von der Raserei Lebenskraft

Wieder die Zyklen ihrer verblendeten Suche fort.

Alles stürzte sich auf das gleichbleibend Tageswerk;

Die tausend Völker von Boden und Baum

Gehorchten dem unvorhergesehenen Drang des Augenblicks,

Und, Führer hier mit seinem unverlässlichen Mental,

Allein, der auf das verhüllte Antlitz der Zukunft starrt,

Hob der Mensch die Bürde seines Schicksals auf.

I.1.135-85

Das Sterbliche und die Berührung des Ewigen

Nur schwer lässt sich Erdnatur zur Wandlung überreden;

Die Berührung des Ewigen erträgt das Sterbliche kaum:

Es fürchtet die reine göttliche Unduldsamkeit

Solch eines Ansturms von Äther und von Feuer;

Es murrt über sein unbeschwertes Glück,

Fast mit Hass stößt es das Licht zurück, das er ihm bringt;

Es zittert vor seiner nackten Macht der Wahrheit

Und der Gewalt und Lieblichkeit in seiner strengen Stimme.

I.1.221-28

Savitris innerer Konflikt

Ruhig ward ihr Antlitz und Mut hielt sie stumm.

Allein ihr äußeres Selbst litt und kämpfte;

Halb göttlich war sogar ihr Menschsein:

Ihr Geist war offen für den Geist in allem,

Ihre Natur empfand die ganze Natur als die eigene.

Abgesondert, im Innern lebend, trug sie alles Leben;

Abseits von allem, trug sie in sich die Welt:

Anfangs litt Leben nicht in ihrer beschwerten Brust:

Im Schoße der Erde ursprünglichen Schläfrigkeit,

Träge, in Vergesslichkeit entlassen,

Ruhte es hingestreckt, unbewusst am Rande des Mentals,

Stumpf und ruhig wie der Stein und Stern.

Zwischen zwei Reichen in einer tiefen Kluft von Schweigen

Lag sie fern von Kummer, verschont von Sorge,

Und nichts erinnerte sie an das Leiden hier.

Dann regte sich schattenhaft eine zaghaft schemenhafte Erinnerung,

Und seufzend legte sie die Hand auf ihre Brust

Und erkannte den nahen und verweilenden Schmerz,

Tief, ruhig, alt, gewohnt an seinem Platz,

Doch ohne zu wissen, warum er da war und woher er kam.

Die Macht, die das Mental entfacht, hielt sich noch zurück:

Schwerfällig, unwillig waren des Lebens Diener,

Wie Arbeiter ohne Lohn der Freude;

Mürrisch, wollte die Fackel der Sinne nicht brennen;

Allein fand das Gehirn nicht mehr seine Vergangenheit.

Nur eine vage Erdnatur hielt das Gefüge zusammen.

Jetzt aber regte sie sich, ihr Leben nahm teil an der kosmischen Last.

Aufgefordert von ihres Körpers stimmlosen Ruf

Flog ihr starker weitschwingender Geist zurück,

Zurück zur Mühsal und dem Druck sterblicher Tage,

Zurück zur Arbeit und dem Druck sterblicher Tage,

Erhellend einen Pfad durch seltsame Symbol-Träume

Über die verebbenden Meere des Schlafes hinweg.

Ihr Haus der Natur verspürte eine ungesehene Schwankung,

Rasch erleuchtet waren des Lebens verdunkelte Räume

Und die Fensterflügel der Erinnerung öffneten sich für Stunden

Und die müden Füße des Denkens kamen ihren Türen näher.

Alles kam zu ihr zurück: Erde und Liebe und Verhängnis,

Die Streiter aus alten Zeiten, kreisten um sie

Wie riesige Gestalten, miteinander ringend in der Nacht:…

I.1.272-319

Satyavans Todestag

Die Gottheiten, geboren aus dem finsteren Nichtbewussten,

Erwachten zum Kampfe und zur göttlichen Qual,

Und im Schatten ihres flammenden Herzens,

Im düsteren Zentrum der schrecklichen Debatte,

Starrte ein Wächter des ungetrösteten Abgrundes,

Erbend die langen Qualen der Welt,

Eine steinstille Gestalt von hohem und gottgleichem Schmerz,

Mit unbewegt achtlosen Augen in den Raum,

Gewahrend des Elends zeitlose Tiefen aber nicht des Lebens Ziel.

Geplagt von seiner harschen Göttlichkeit,

Gebunden an seinen Thron, harrte er unbesänftigt

Der täglichen Opfergabe ihrer ungeweinten Tränen.

Die grimmige Frage nach des Menschen Stunden lebte wieder auf.

Das Opfer an Leiden und Begehren,

Das die Erde der unsterblichen Ekstase darbringt,

Begann von neuem unter der ewigen Hand.

Wach erduldete sie den streng formierten Aufmarsch der Augenblicke

Und blickte auf diese grün lächelnd gefahrvolle Welt,

Und hörte den unwissenden Schrei lebendiger Dinge.

Inmitten der belanglosen Geräusche, der unveränderten Szenerie

Stieg ihre Seele empor, Zeit und Schicksal trotzend.

In sich unbewegt, sammelte sie Kraft.

Dies war der Tag, an dem Satyavan sterben musste.

I.1.320-42

Der Auftrag

Die bilderreiche Vergangenheit

Eine Weile, zurückgezogen in geheime Gefilde des Denkens,

Schweifte ihr mentaler Geist in bilderreichem Vergangenen,

Das neu auflebte und sein Ende nahe sah:

Sterbend lebte es unzerstörbar in ihr;

Vergänglich und kurzlebigen Augen entschwindend,

Unsichtbar, ein schicksalsvolles Gespenst des Selbstes,

Trug es die Zukunft auf seiner Phantom-Brust.

Entlang der weit zurückreichenden Spur flüchtigen Ereignisses

Verebbte der Strom beharrlich drängender Stunden,

Und am Ufer der geheimnisvollen Flut,

Bevölkert von viel geliebten Formen, nun nicht mehr gesehen,

Und den subtilen Bildern jener Dinge, die einst waren,

Da stand ihr Zeugengeist und ließ die Zeit Revue passieren.

Alles, was einst sie gehofft und geträumt hatte und gewesen war,

Flog an ihr vorbei mit Adlerflügeln durch die Lüfte der Erinnerung.

Wie in einer vielfarbig flammend inneren Morgendämmerung

Waren die breiten Straßen ihres Lebens und seine reizvollen Nebenwege

Ausgebreitet vor ihrem sonnenklar erfassenden Blick,

Von dem hellen Lande ihrer Kindheitstage her

Und den blauen Bergen ihrer aufschwingenden Jugend

Und den Paradieshainen und Pfauenflügeln der Liebe

Bis hin zur Freude, gepackt unter dem stillen Schatten des Unheils

In einer letzten Wendung, wo Himmel mit Hölle um die Wette lief.

Zwölf leidenschaftliche Monate führten in einen Tag des Schicksals.

Eine absolute übernatürliche Dunkelheit fällt

Manchmal auf den Menschen, wenn er Gott sich naht:

Es tritt eine Stunde ein, da alle Mittel der Natur versagen;

Vertrieben aus der schützenden Unwissenheit

Und auf seine nackten Urbedürfnisse zurückgeworfen,

Muss er schließlich seine äußere Seele von sich werfen

Und die unbekleidete Wesenheit im Innern sein:…

I.2.1-31

Savitri und der Gott der Liebe

Allein inmitten der vielen geliebten Gesichter,

Bewusst unter ahnungslosen glücklichen Herzen,

Wachte ihr gerüsteter Geist über die Stunden,

Horchend auf einen prophezeiten gewaltigen Schritt

In der abgeschiedenen Schönheit der unmenschlichen Wildnis.

Eine Kämpferin in schweigend schrecklichen Aufstellungen,

Sie stand für diese Welt ein, ohne dass die Welt es wusste:

Außer der Stärke im Innern hatte sie keinen Helfer;

Es gab keinen Zeugen von irdischem Blick;

Oben die Götter und unten einzig die Natur,

Das waren die Zuschauer dieses gewaltigen Ringens.

Um sie herum waren die strengen himmelstrebenden Berge,

Und die grünen rauschenden weiten gedankenversunkenen Wälder

Murmelten unablässig ihre dumpfen Zauberworte.

Ein dichtes farbenprächtiges selbstverhülltes Leben,

Eingehüllt in Blätter von lebhaft smaragdgrüner Eintönigkeit

Und besetzt mit bewegten Sonnenstrahlen und heiteren Blüten,

Umschloss den abgeschiedenen Schauplatz ihres Geschicks.

Dort war sie zur vollen Größe ihres Geistes herangewachsen:

Der Genius gigantischer Schweigsamkeiten,

Eintauchend ihre Seele in deren weite Einsamkeit,

Hatte ihr die nackte Wirklichkeit ihres Selbstes gezeigt

Und sie mit ihrer Außenwelt vermählt.

Deren Einsamkeit erhöhte ihre menschlichen Stunden

Mit dem Ewigen und Einzigartigen als Kulisse.

Eine Kraft spärlichen direkten Notwendigseins

Beschränkte das schwere Gerüst des Menschen Tage

Und seiner überlastenden Masse äußerer Bedürfnisse

Auf einen ersten schmalen Streifen tierhaft einfacher Wünsche,

Und die mächtige Wildnis der urzeitlichen Erde

Und die still in sich gekehrte Menge geduldiger Bäume

Und die sinnierend saphirblaue Muße des Himmels

Und die feierliche Schwere der langsam dahinziehenden Monde

Hatten in ihr tiefen Raum gelassen für Denken und Gott .

Dort wurde das strahlende Vorspiel ihres Dramas gelebt.

Ein Ort für den Schritt des Ewigen auf Erden,

Geschaffen in der klösterlichen Sehnsucht der Wälder

Und bewacht vom Aufwärtsstreben der Gipfel,

Erschien durch eine goldne Öffnung in der Zeit,

Wo Stille lauschend das ungesprochene Wort verspürte

Und die Stunden vergaßen, gen Leid und Wandel zu ziehen.

Hier ganz plötzlich, wie es göttlichem Kommen zu eigen ist,

Wiederholend das Wunder der ersten Herabkunft,

Wandelnd in Verzückung den dumpf irdischen Lauf,

Kam zu ihr der Gott der Liebe, verbergend den Schatten, Tod.

In ihr fand leicht er seinen vollkommenen Schrein.

Seit erstmals das Erdenwesen gen Himmel wuchs,

Durch all die langen Prüfungen der Menschenart hindurch,

Ertrug noch nie ein erlesener Geschöpf seinen Strahl,

Diesen brennenden Test der Gottheit in unseren Wesensteilen,

Einen Blitzstrahl aus den Höhen tief in unseren Abgrund.

Alles in ihr wies hin auf eine edlere Art.

Der Weite der Erde nahe, mit Himmel vertraut,

Ihr junger weitschauender Geist, begeistert und geschickt,

Durch Welten reisend voller Herrlichkeit und Ruhe,

Überflog die Wege des Denkens zu ungeborenen Dingen.

Inbrünstig war ihr selbstbestimmter unerschütterlicher Wille;

Ihr mentaler Geist, ein Meer weißer Aufrichtigkeit,

Leidenschaftlich im Fluss, hatte nicht eine einzig trübe Woge.

Wie in einem mystischen und dynamischen Tanz

Eine Priesterin von makellosen Ekstasen,

Inspiriert und gelenkt von der Wahrheit offenbarendem Gewölbe,

Sich in einer Prophezeiungsgrotte der Götter bewegt,

Bewohnte ein Herz voller Stille in den Händen der Freude

Mit reichem schöpferischem Pulsschlag

Einen Körper, der wie ein Gleichnis der Morgenröte war

Und eine Nische schien für verschleierte Göttlichkeit

Oder ein goldnes Tempeltor zu jenseitigen Dingen.

Unsterbliche Rhythmen lenkten ihre zeitgeborenen Schritte;

Ihr Blick, ihr Lächeln weckten himmlisches Gefühl

Sogar im Erdenstoff, und deren intensive Freude

Verströmte in das Leben der Menschen übernatürlich Schönes.

Ein weites Sichgeben war ihre natürliche Art zu handeln;

Ein Großmut wie von Meer oder Himmel

Umfing mit seiner Erhabenheit alle, die da kamen,

Und gab ein Gefühl wie von einer größer gewordenen Welt:

Ihre liebevolle Fürsorge war eine Sonne, süß und mild,

Ihre hohe Passion die Ausgeglichenheit eines blauen Himmels.

Wie eine Seele gleich gejagtem Vogel fliegen mag,

Entfliehend mit müden Flügeln einer Welt von Stürmen,

Und Ruhe findet, gleichsam einer erinnerten Brust,

Konnte man an einem Ort der Geborgenheit und herrlich sanfter Ruhe

Wieder Leben in Strömen von Honigfeuer trinken,

Die verlorene Gewohnheit von Glück zurückgewinnen,

Die wunderbare Atmosphäre ihrer strahlenden Natur erfühlen

Und sich mit Freude zieren in der Obhut ihrer Wärme und Farbenpracht.

Eine Tiefe an Mitgefühl, ein verschwiegenes Heiligtum,

Ihre innere Hilfe schloss ein Tor im Himmel auf;

Liebe in ihr war weiter als das Universum,

Die ganze Welt konnte Zuflucht nehmen in ihrem einen Herzen.

Der große unbefriedigte Gott konnte darin wohnen:

Frei von des Zwergen-Selbstes eingeschlossener Luft

Beherbergte ihr Gemüt seinen feineren Atem,

Den spirituellen, der alles göttlich machen kann.

Denn sogar ihre Abgründe waren Heimlichkeiten von Licht.

Sie war zugleich die Stille und das Wort,

Kontinent eines selbstausbreitenden Friedens,

Ein Meer von nicht flackernd jungfräulichem Feuer;

Die Stärke, das Schweigen der Götter war ihr zu eigen.

In ihr fand er eine Weite, der eigenen gleich,

Seinen hohen warmen feinen Äther fand er wieder

Und bewegte sich in ihr wie in seinem natürlichen Heime.

In ihr traf er seine eigene Ewigkeit.

I.2.83-185

Der Unsterbliche und die Schlinge der Zeit

Fast sahen jene, die in ihrem Lichte lebten,

Ihren Spielgefährten in den immerwährenden Sphären,

Herabgestiegen aus seinen unerreichbaren Gefilden

Auf die leuchtende Spur ihrer lockenden Ankunft,

Den weißfeurigen Drachenvogel endloser Seligkeit,

Der mit brennenden Flügeln über ihre Tage schwebt:

Des Himmels ruhige Schild schützte das gesandte Kind.

Ihre frühe Zeit war ein glühender Orbit,

Jahre wie Goldgewänder wallender Götter;

Ihre Jugend thronte in ruhiger Glückseligkeit.

Doch Freude kann nicht bis zum Ende währen:

In irdischen Dingen gibt es eine Dunkelheit,

Die einen allzu frohen Klang nicht dulden will.

Auch um sie schloss sich die unentrinnbare Hand:

Der bewaffnet Unsterbliche trug die Schlinge der Zeit.

Mit ihr befasste sich einer, der die beladenen Großen trifft.

Zuteiler der Feuerprobe und des Pfades,

Der in diesem Holocaust der Seele

Tod, Fall und Leiden als des Geistes Antriebskräfte wählt,

Der zweideutige Gott mit seiner Fackel des Schmerzes

Erhellte die Kluft der unvollendeten Welt

Und hieß sie mit ihrem weiten Selbst den Schlund zu füllen.

I.2.200-21

Eine magische Hebelkraft

Ergriffen wird plötzlich eine magische Hebelkraft,

Die den zeitlosen Willen des verhüllten Unbegreifbaren bewegt:

Ein Gebet, ein Meisterwerk, eine Königsidee

Kann des Menschen Stärke mit einer transzendenten Kraft verbinden.

Zur allgemeinen Regel wird Wunder dann,

Eine einzige mächtige Tat kann den Lauf der Dinge ändern;

Ein einsamer Gedanke wird allmächtig.

I.2.327-33

Der Sieg für Gott im Menschen

Doch Weisheit kommt, und die Schau im Innern wächst:

Dann krönt das Werkzeug der Natur sich selbst zu ihrem König;

Er fühlt sein zeugenhaftes Selbst und seine bewusste Macht;

Seine Seele tritt zurück und sieht das erhabene Licht.

Eine Gottheit steht hinter der brachialen Maschinerie.

Diese Wahrheit brach herein mit dem Triumph von Feuer;

Ein Sieg war errungen für Gott im Menschen,

Die Göttlichkeit enthüllte ihr verborgenes Antlitz.

Die große Weltmutter stand nun auf in ihr:

Eine lebendige Wahl drehte des Schicksals kalten toten Lauf,

Bekräftigte den Schritt des Geistes über den Umstand ,

Drängte zurück das sinnlos grässlich drehende Rad

Und stoppte den stummen Marsch der Notwendigkeit.

Eine flammende Kriegerin aus den ewigen Höhen,

Ermächtigt aufzubrechen das verwehrte und verschlossene Tor,

Schlug vom Gesicht des Todes seine dumpfe Absolutheit

Und sprengte die Fesseln des Bewusstseins und der Zeit.

I.2.351-67