SAVITRI

Der Gesang des Unendlichen und Ewigen

Ausgewählte Zeilen aus den Büchern:


Das Buch von den Anfängen

Das Buch vom Weltenwanderer

Das Buch von der Göttlichen Mutter

Das Buch von der Geburt und Suche

Das Buch von der Liebe

Das Buch vom Schicksal

Das Buch vom Yoga

Das Buch vom Tod

Das Buch von der ewigen Nacht

Das Buch vom doppelten Zwielicht

Das Buch vom immerwährenden Tag

Epilog



Ausgewählte Zeilen aus dem

Buch von den Anfängen


  1. Das Sinnbild Morgendämmerung
  2. Der Auftrag
  3. Der Yoga des Königs: Der Yoga von der Befreiung der Seele
  4. Das geheime Wissen
  5. Der Yoga des Königs: Der Yoga von der Freiheit und Größe des Geistes

Das Sinnbild Morgendämmerung

Der dunkle Anfang

Es war die Stunde, bevor die Götter erwachen.

Quer über dem Pfad des göttlichen Ereignisses

Lag die Nacht mit riesigem ahnungsvollem Geist, allein

In ihrem unerhellten Tempel der Ewigkeit,

Reglos ausgestreckt an des Schweigens Rand.

Fast fühlte man, undurchschaubar, undurchdringbar,

In dem düsteren Sinnbild ihrer augenlosen Muse

Den Abgrund des unverkörperten Unendlichen;

Eine unergründbare Null erfüllte die Welt.

Eine Macht gefallenen grenzenlosen Selbstes, wach

Zwischen dem ersten und dem letzten Nichtsein,

Zurückrufend den dunklen Mutterleib aus dem sie kam,

Wandte sich ab vom unauflösbaren Mysterium der Geburt

Und dem langsamen Prozess der Sterblichkeit

Und sehnte sich nach ihrem Ende in leerem Nichts.

Dem dunklen Anfang aller Dinge gleichend,

Wiegte des Unbekannten stumme merkmallose Erscheinung,

Ewig wiederholend den unbewussten Akt,

Ewig verlängernd den nicht-sehenden Willen,

Die kosmische Schlaftrunkenheit unwissender Kraft,

Deren bewegter und schöpferischer Schlummer die Sonnen zündet

Und in ihrem schlafwandelndem Wirbel unser aller Leben trägt.

Quer durch die eitle enorme Trance des Raumes,

Ihre gestaltlose Starre ohne Denken oder Leben,

Ein Schatten, der durch eine seelenlose Leere wirbelt,

Noch einmal zurückgeworfen in gedankenlose Träume,

Kreiste die Erde einsam und verlassen in den hohlen Abgründen

Im Vergessen ihres Geistes und ihrer Bestimmung.

Die Offenbarung und die Flamme

Unmerklich begann irgendwo ein Durchbruch:

Eine lange einsame Linie zögernder Färbung,

Gleich einem vagen Lächeln, das ein einsames Herz verlockt,

Wühlte auf den fernen Saum des Lebens dunklen Schlaf.

Kommend von der anderen Seite der Grenzenlosigkeit,

Schaute forschend das Auge einer Gottheit durch die stummen Tiefen;

Als ein Späher auf Erkundung von der Sonne her

Erschien es inmitten einer schweren kosmischen Ruhe,

Der Erstarrung einer überdrüssigen und müden Welt,

Um nach einem einsamen und verzweifelten Geist zu suchen,

Der zu tief gefallen ist, um sich vergessener Seligkeit zu erinnern.

Eingreifend in ein mentalloses Universum,

Schlich seine Botschaft durch die widerstrebende Stille,

Rufend das Abenteuer des Bewusstseins und der Freude,

Und, erobernd der Natur desillusionierte Brust,

Erzwang die erneute Zustimmung zum Sehen und Fühlen.

Ein Gedanke ward gesät in der klanglosen Leere,

Ein Sinn ward geboren in den Tiefen der Finsternis,

Eine Erinnerung erbebte im Herzen der Zeit,

Als würde eine längst verstorbene Seele zum Leben erweckt:

Doch das Vergessen, das dem Falle folgt,

Hatte die vollen Tafeln der Vergangenheit gelöscht,

Und alles, was vernichtet wurde, musste neu errichtet

Und alte Erfahrung neu erarbeitet werden.

Alles kann getan werden, wenn die Hand Gottes da ist.

Eine Hoffnung stahl sich ein, die kaum zu sein sich wagte

Inmitten der verzweifelten Gleichgültigkeit der Nacht.

Als ob es sich anbot in einer fremden Welt

Mit zaghafter und gewagter instinktiver Anmut,

Verwaist und hinausgetrieben sich ein Heim zu suchen,

Ein umherirrendes Wunderbares ohne einen Platz zum Leben,

So kam in einen entlegenen Winkel des Himmels

Eine zögernde wundersame Geste leisen Flehens.

Die anhaltende Erregung einer verklärenden Berührung

Überzeugte die träge schwarze Stille

Und Schönheit und Wunder brachten Gottes Gefilde durcheinander.

Eine schweifende Hand blassen zauberhaften Lichtes,

Das an der Schwelle eines dahinschwindenden Augenblicks erglühte,

Errichtete aus goldenen Paneelen und schillernden Scharnieren

Ein Tor aus Träumen, halb offen zur Schwelle des Mysteriums.

Eine lichte Ecke, die das Verborgene sichtbar machte,

Zwang die blinde Unermesslichkeit der Welt zum Sehen.

Die Dunkelheit verging und glitt wie ein fallender Umhang

Vom ruhenden Körper eines Gottes ab.

Dann, durch den schmalen Spalt, der zunächst

Kaum groß genug erschien für einen Rinnsal von den Sonnen,

Ergossen sich die Offenbarung und die Flamme.

Das Gotteslicht

Alles wurde eine Weihung und ein feierlicher Akt.

Luft war ein vibrierendes Bindeglied zwischen Erde und Himmel;

Die breitbeflügelte Hymne eines hehren priesterlichen Windes

Erhob sich und verhallte auf den Altarhügeln;

Die hohen Äste beteten in einem enthüllenden Himmel.

Hier, wo unsere halb erhellte Unwissenheit an den Abgründen grenzt

Im stummen Schoße der zweideutigen Erde,

Hier, wo man nicht einmal den nächsten Schritt erkennt

Und Wahrheit ihren Thron auf dem schattigen Rücken des Zweifels hat,

Auf diesem von Schmerz geplagten und prekären Feld des Mühens,

Ausgebreitet unter einem weiten gleichgültigen Blick,

Unserer Freude und Trauer unparteiischem Zeugen,

Ertrug unser darniederliegender Boden den erweckenden Strahl.

Auch hier zündeten Vision und prophetischer Schimmer

Gewöhnliche bedeutungslose Formen zu Wundern;

Dann wich, erschöpft, der göttliche Afflatus zurück,

Unerwünscht entschwindend aus dem Bereich des Sterblichen.

Eine heilige Sehnsucht verweilte in seiner Spur,

Die Verehrung einer Präsenz und einer Macht,

Zu vollkommen, um von todgebundenen Herzen bewahrt zu werden,

Die Vorahnung einer wunderbaren künftigen Geburt.

Nur kurz kann das Gotteslicht verweilen:

Spirituelle Schönheit, erleuchtend menschliches Sehen,

Umsäumt mit dessen Passion und Mysterium der Materie Maske

Und verschwendet Ewigkeit an den Takt der Zeit.

Wie wenn sich eine Seele der Geburtsschwelle nähert,

Hinzufügend der Zeitlosigkeit sterbliche Zeit,

Ein Funke der Gottheit in der Krypta der Materie verloren,

Dessen Glanz verblasst in den nichtbewussten Schichten,

So ward diese flüchtige Glut magischen Feuers

Jetzt aufgelöst in helle gewohnte Luft.

Die Botschaft verstummte und die Botin verschwand.

Der einmalige Ruf, die unbegleitete Macht,

Zog zurück in eine weit entlegene geheime Welt

Das Farbspiel und Wunder des überirdischen Strahls:

Sie sah nicht mehr auf unsere Sterblichkeit.

Das Übermaß an Schönheit, von Natur aus dem Gottwesen eigen,

Konnte seinen Anspruch auf zeitgeborene Augen nicht wahren;

Zu mystisch-wirklich für Raumpacht

Ward ihr Leib der Herrlichkeit aus dem Himmel getilgt:

Das seltene Gut und das Wunder existierten nicht mehr.

Es blieb das fahle Licht des irdischen Tages.

Entlassen aus der Ruhepause von mühseliger Arbeit

Setzte die lärmende Unruhe der Rasanz der Lebenskraft wieder

Die Zyklen ihrer verblendeten Suche fort.

Alle sprangen zu ihren gleichbleibend täglichen Taten;

Die tausend Völker des Bodens und des Baumes

Gehorchten dem nicht voraussehenden Drängen des Augenblicks,

Und, hier Führer mit seinem unverlässlichen Mental,

Als der einzige, der auf das verhüllte Antlitz der Zukunft starrt,

Hob der Mensch die Bürde seines Schicksals auf.

Das Sterbliche und die Berührung des Ewigen

Nur schwer lässt sich die Erdnatur zur Wandlung überreden;

Die Berührung des Ewigen erträgt das Sterbliche kaum:

Es fürchtet die reine göttliche Unduldsamkeit

Solch eines Ansturms von Äther und Feuer;

Es murrt über sein unbeschwertes Glück,

Fast mit Hass stößt es das Licht zurück, das er ihm bringt;

Es zittert vor seiner nackten Macht der Wahrheit

Und der Gewalt und Lieblichkeit in seiner strengen Stimme.

Savitris innerer Konflikt

Ruhig ward ihr Antlitz und Mut hielt sie stumm.

Allein ihr äußeres Selbst litt und kämpfte;

Selbst ihre Menschlichkeit war halb vergöttlicht:

Ihr Geist war offen für den Geist in allem,

Ihre Natur empfand die ganze Natur als die eigene.

Abgesondert, im Innern lebend, trug sie alles Leben in sich;

Abseits von allem, trug sie in sich die Welt...

Leben bereitete anfangs keinen Kummer in ihrer bedrückten Brust:

Im Schoße der Erde ursprünglichen Schlaftrunkenheit

Ruhte es träge, in Vergesslichkeit entlassen,

Ausgestreckt, unbewusst am Rande des Mentals,

Stumpf und beschaulich wie der Stein und Stern.

Zwischen zwei Reichen in einer tiefen Kluft von Schweigen

Lag sie fern von Kummer, verschont von Sorge,

Und nichts erinnerte sie an das Leiden hier.

Dann regte sich schattenhaft eine zaghafte schemenhafte Erinnerung,

Und seufzend legte sie die Hand auf ihre Brust

Und erkannte den nahen und bleibenden Schmerz,

Tief, ruhig, alt, gewohnt an seinem Platz,

Doch ohne zu wissen, warum er da war und woher er kam.

Die Macht, die das Mental entfacht, hielt sich noch zurück:

Schwerfällig, unwillig waren die Diener des Lebens,

Wie Arbeiter ohne den Lohn der Freude;

Mürrisch, wollte die Fackel der Sinne nicht brennen;

Ohne Unterstützung fand das Gehirn seine Vergangenheit nicht.

Nur eine vage Erdnatur hielt das Gefüge zusammen.

Jetzt aber regte sie sich, ihr Leben nahm teil an der kosmischen Last.

Aufgefordert vom stimmlosen Ruf ihres Körpers

Flog ihr starker Geist mit weiten Schwingen zurück,

Zurück zum Joch von Unwissenheit und Schicksal,

Zurück zur Arbeit und dem Druck sterblicher Tage,

Erhellend einen Pfad durch seltsame Symbol-Träume

Über die verebbenden Meere des Schlafes hinweg.

Ihr Haus der Natur verspürte einen ungesehenen Einfluss,

Rasch erleuchtet waren des Lebens verdunkelte Räume

Und die Fensterflügel der Erinnerung öffneten sich für Stunden

Und die müden Füße des Denkens kamen ihren Türen näher.

Alles kam zu ihr zurück: Erde und Liebe und Verhängnis,

Die Streiter aus alten Zeiten, kreisten um sie

Wie riesige Gestalten, miteinander ringend in der Nacht...

Satyavans Todestag

Die Gottheiten, geboren aus dem finsteren Nichtbewussten,

Erwachten zum Kampfe und zur göttlichen Qual,

Und im Schatten ihres flammenden Herzens,

Im düsteren Zentrum der schrecklichen Debatte,

Starrte ein Wächter des ungetrösteten Abgrundes,

Erbend die langen Qualen der Welt,

Eine steinstille Gestalt von hohem und gottgleichem Schmerz,

Mit unbewegt achtlosen Augen in den Raum,

Gewahrend des Elends zeitlose Tiefen, aber nicht des Lebens Ziel.

Bedrängt von seiner harschen Göttlichkeit,

Gebunden an seinen Thron, harrte er unbesänftigt

Der täglichen Opfergabe ihrer ungeweinten Tränen.

Die grimmige Frage nach des Menschen Stunden lebte wieder auf.

Das Opfer an Leiden und Begehren,

Das die Erde der unsterblichen Ekstase darbringt,

Begann von neuem unter der ewigen Hand.

Wach erduldete sie den streng formierten Aufmarsch der Augenblicke

Und blickte auf diese grün lächelnde gefahrvolle Welt,

Und hörte den unwissenden Schrei lebendiger Dinge.

Inmitten der belanglosen Geräusche, der unveränderten Szenerie

Stieg ihre Seele empor, sich Zeit und Schicksal entgegenstellend.

In sich unbewegt, sammelte sie Kraft.

Dies war der Tag, an dem Satyavan sterben musste.

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