Drittes Buch

Das Buch von der Göttlichen Mutter

Zweiter Canto

Die Anbetung der Göttlichen Mutter

Eine absolute, nicht mitteilbare Stille

Begegnet der schieren Selbstentdeckung der Seele;

Ein Wall der Stille verschließt sie vor der Welt,

Ein Schlund der Stille verschlingt das Empfinden

Und macht alles unwirklich, was das Mental gekannt hat,

Alles, was die sich mühenden Sinne noch weben würden,

Verlängernd eine vorgestellte Unwirklichkeit.

Das weite spirituelle Schweigen des Selbstes nimmt ein den Raum ;

Einzig das Unbegreifbare bleibt noch,

Nur das Namenlose ohne Raum und Zeit:

Aufgelöst ist das belastende Bedürfnis des Lebens:

Denken fällt von uns ab, wir lassen ab von Freude und Kummer;

Das Ego ist tot; wir sind befreit von Sein und Sorge,

Wir sind fertig mit Geburt und Tod und Arbeit und Schicksal.

O Seele, schon zu frohlocken wäre verfrüht!

Du hast das grenzenlose Schweigen des Selbstes erlangt,

Du bist in einen frohen göttlichen Abgrund gesprungen;

Wohin aber warfst du des Selbstes Mission und des Selbstes Macht?

Auf welch tote Böschung an des Ewigen Pfad?

Einer war in dir, der Selbst und Welt war,

Was hast du für sein Ziel in den Sternen getan?

Flucht bringt nicht den Sieg und die Krone!

Um etwas zu tun kamst du aus dem Unbekannten ,

Doch nichts ist beendet und weiter geht die Welt,

Denn nur die Hälfte ist vollbracht von Gottes kosmischem Werk.

Genaht hat sich nur das immerwährende Nein

Und hat dir in die Augen gestarrt und dein Herz getötet:

Doch wo ist des Liebsten immerwährend Ja,

Die Unsterblichkeit in dem geheimen Herz,

Die Stimme, die da singt zum Schöpferfeuer empor,

Der Sinnlaut OM, das große gutheißende Wort,

Die Brücke zwischen der Verzückung und der Ruhe,

Die Leidenschaft und die Schönheit der Braut,

Die Kammer, in der sich die glorreichen Feinde küssen,

Das errettende Lächeln, der goldne Gipfel der Dinge?

Auch dies ist Wahrheit an der mystischen Quelle des Lebens.

Ein schwarzer Schleier hat sich gelüftet; wir sahen

Den mächtigen Schatten des allwissenden Herrn ;

Doch wer hat den Schleier des Lichtes gelüftet

Und wer hat den Körper des Königs gesehen?

Das Mysterium von Gottes Geburt und Taten bleibt,

Lässt ungebrochen das Siegel des letzten Kapitels,

Ungelöst das Rätsel des unbeendeten Spieles;

Der kosmische Spieler lacht in seiner Maske

Und noch verbirgt sich das letzte unberührte Geheimnis

Hinter der menschlichen Herrlichkeit von einer Gestalt,

Hinter dem goldnen Eidolon von einem Namen.

Eine lange weiße Linie hat als Ziel gedient,

Doch weit dahinter lodern die unsagbaren Sonnenbahnen:

Was Ursprung und Ende schien war ein weites Tor,

Ein letzter bloßer Schritt in die Ewigkeit.

Auf Zeitlosigkeit hat sich ein Auge aufgetan,

Unendlichkeit nimmt die Formen zurück, die sie verlieh,

Und durch Gottes Finsternis oder sein nacktes Licht

Kehren seine Millionen Strahlen zur Sonne heim.

Es gibt ein Null-Zeichen des Höchsten;

Natur, sich nackt und still überlassen, entschleiert Gott.

Doch in ihrem grandiosen Nichtssein ist alles da:

Sind ihre festen Kleider von uns weggerissen,

Ist der Seele Unwissen getilgt, nicht aber die Seele:

Die Null verdeckt ein unsterblich Angesicht.

Eine hohe und leere Verneinung ist nicht alles,

Eine gewaltige Auslöschung ist nicht Gottes letztes Wort,

Des Lebens letzter Sinn, das Ende von des Seins Werdegang,

Die Bedeutung dieser großen mysteriösen Welt.

Im absoluten Schweigen schläft eine absolute Macht.

Erwachend, kann wecken sie die trancegebundene Seele

Und in dem Strahl enthüllen die elterliche Sonne:

Sie kann die Welt zum Gefäße machen für des Geistes Kraft,

Sie kann im Lehm modellieren Gottes vollkommene Form.

Das Selbst zu befreien ist nur ein lichtvoller Schritt;

Hier sich selbst zu erfüllen, war Gottes Wunsch.

Noch während er stand am nackten Rande des Seins

Und all die Leidenschaft und Suche seiner Seele

Sich ihrer Auslöschung in eigenschaftsloser Weite gegenübersahen,

Nahte plötzlich die Gegenwart, die er ersehnte.

Her durch das Schweigen der allerletzten Ruhe,

Aus dem Kern einer wundervollen Transzendenz,

In einem Körper von Wunder und Transluzenz,

Als wäre ein lieblich mystischer Inbegriff ihrer selbst,

Entschwunden in die ursprüngliche Seligkeit,

Erweitert zurückgelangt aus der Ewigkeit,

Kam nun jemand, unendlich und absolut.

Ein Wesen voller Weisheit, Macht und Freude

Nahm, so wie eine Mutter ihr Kind in die Arme schließt,

Natur und Welt und Seele an ihre Brust.

Die zeichenlose Leerheit zunichte machend,

Die Ödnis und stimmlose Stille brechend,

Das grenzenlos Unkennbare durchdringend,

Stahl sich zur Freiheit der reglosen Tiefen

Ein schöner und glückverheißender Glanz.

Die Macht, das Licht, die Seligkeit, die kein Wort beschreiben kann,

Nahm an die Form eines überraschenden Strahles

Und baute zu seinem Herzen einen goldnen Gang,

Durch ihn berührend alles, was sehnt und fühlt.

Ein Augenblick der Lieblichkeit des Allschönen

Hob die Nichtigkeit des kosmischen Wirbels auf.

Eine Natur, pochend mit einem göttlichen Herz,

War da zu fühlen im unbewussten Universum;

Es machte den Odem zu einem frohen Mysterium.

Eine Liebe, die das Kreuz des Schmerzes mit Freude trug,

Verwandelte das Leid der Welt in Glück,

Erleichterte die Schwere der langen endlosen Zeit,

Fasste das Geheimnis von Gottes Glückseligkeit.

Bekräftigend im Leben eine verborgene Ekstase,

Hielt es den Geist in seinem wunderreichen Lauf;

Tragend unsterbliche Werte in die Stunden,

Rechtfertigte es das mühevolle Werk der Sonnen.

Denn hinter dem Gott stand jemand zuhöchst.

Eine Mutter-Macht brütete über der Welt:

Ein Bewusstsein enthüllte seine wundervolle Front,

Alles übersteigend, was ist, nichts verneinend:

Unvergänglich über unseren gefallenen Häuptern,

Fühlte er eine verzückte und nie strauchelnde Kraft.

Die nie sterbende Wahrheit erschien, die dauernde Macht

Von allem hier Geschaffenen und dann Zerstörten,

Die Mutter aller Gottheiten und aller Stärken,

Die, Mittlerin, die Erde mit dem Höchsten verbindet.

Zuende war das Rätsel, das die Nacht unserer Natur beherrscht,

Entlarvt und erschlagen ward das verhüllend Nichtwissen ;

Sein Mental des Irrtums ward von Dingen abgestreift

Sowie die dumpfen Launen seines entstellenden Willens.

Von ihrer allsehenden Wesenseinheit erleuchtet

Vermochten Wissen und Unwissen nicht mehr zu streiten;

Nicht länger konnten die titanischen Widersacher,

Die antagonistischen Pole der Ausarbeitung der Welt,

Den Trug verhängen ihres zweifachen Schirmes

Und ihre Figuren werfen zwischen uns und Sie.

Die Weisheit war nah, vermummt durch ihre eigenen Werke,

Deren Gewand das verdunkelte Universum ist.

Dasein schien nun nicht mehr ein zielloser Absturz zu sein,

Auslöschung war nicht die einzige Befreiung mehr.

Gefunden war das verborgene Wort, der lang gesuchte Schlüssel,

Enthüllt war die Bedeutung von unseres Geistes Geburt,

Verurteilt zu einem unvollkommenen Körper und Mental,

Im Nichtbewusstsein stofflicher Dinge

Und der Würdelosigkeit sterblichen Lebens.

Ein Herz war zu spüren in den weiten und kahlen Räumen,

Eine brennende Liebe aus weißen spirituellen Quellen

Hob den Kummer der unwissenden Tiefen auf;

Leid verlor sich in ihrem unsterblichen Lächeln.

Ein Leben von Jenseits ward hier Bezwinger des Todes;

Nicht mehr zu irren war natürlich dem mentalen Geist;

Wo alles Licht und Liebe war, konnte Falsches nicht kommen.

Das Formlose und das Geformte waren vereint in ihr:

Unermessliches ward von einem Blick überschritten,

Ein Antlitz enthüllte das wimmelnd Unendliche.

Verkörpernd unbeschreiblich in ihren Gliedern

Die grenzenlose Freude, von den blinden Weltkräften gesucht,

Schmückte ihr Leib der Schönheit mondgleich die Meere der Seligkeit.

Zu Häuptern steht sie von Geburt und Mühsal und Schicksal,

Auf ihr Gebot hin kreisen langsam die Zyklen;

Einzig ihre Hände können die Drachenbasis der Zeit verändern.

Das in Nacht verborgene Mysterium ist das ihre;

Des Geistes Alchemisten-Energie ist ihr zu eigen;

Sie ist die goldne Brücke, das wundervolle Feuer.

Das leuchtende Herz des Unbekannten ist sie,

Eine Macht des Schweigens in den Tiefen Gottes;

Sie ist die Kraft, das unausweichliche Wort,

Der Magnet unseres schwierigen Aufstiegs,

Die Sonne, an der wir alle unsere Sonnen zünden,

Das Licht, das sich aus den unverwirklichten Weiten neigt,

Die Freude, die aus dem Unmöglichen zu sich winkt,

Die Macht von allem, das noch nie herniederkam.

Die ganze Natur ruft stumm nach ihr allein,

Damit sie mit ihren Füßen das schmerzende Pochen des Lebens heilt

Und die Siegel auf des Menschen verdunkelter Seele bricht

Und in den verschlossenen Herzen der Dinge ihr Feuer entfacht.

Alles hier wird eines Tages das Heim ihrer Süße sein,

Alle Gegensätze bereiten ihre Harmonie;

Zu ihr steigt unser Wissen auf, tastet sich unsere Leidenschaft heran;

In ihrer wundersamen Verzückung, da werden wir wohnen,

In ihrer Umarmung, da wird unser Schmerz zur Ekstase.

Durch sie wird unser Selbst eins sein mit allen.

In ihr gefestigt, weil umgewandelt in ihr,

Wird unser antwortend Leben Erfüllung finden,

Oben, die grenzenlos verschwiegenen Seligkeiten,

Unten, das Wunder der göttlichen Umarmung.

Dies erkannt wie in einem Donnerblitz Gottes,

Durchdrang seine Glieder das Entzücken ewiger Dinge;

Bewunderung überkam seinen verzückten Sinn;

Erfasst ward sein Geist von ihrer unduldsamen Flamme.

Einmal gesehen, und sein Herz bekannte sich nur zu ihr.

Nur ein Hunger nach unendlicher Seligkeit blieb.

Alle Ziele, verloren in ihr, fand in ihr er neu;

Sein Grund ward gefasst zu einer weisenden Spitze.

So ward ein Same gesät in endlose Zeit .

Ein Wort wird gesprochen oder ein Licht gezeigt,

Ein Augenblick sieht, die Zeitalter arbeiten aus.

So aus dem Zeitlosen blitzend, sprangen die Welten hervor;

Ein ewiger Augenblick ist die Ursache der Jahre.

Alles, was er getan hatte, war Vorbereitung eines Feldes;

Seine kleinen Anfänge verlangten nach einem mächtigen Ziel:

Denn alles, was er war, musste jetzt neu gestaltet werden,

Um in ihm ihre Freude zu verkörpern, festzuhalten

In seinem Hause des Lebens ihre Schönheit und Größe.

Doch viel zu weit war nun sein Wesen für sich selbst;

Ins Unermessliche war seines Herzens Verlangen gewachsen:

Seine eigene Freiheit genügte nicht mehr,

Ihr Licht, ihre Seligkeit erbat er für Erde und Mensch.

Zu schwach sind menschliche Macht und menschliche Liebe,

Der Erde Siegel von Unwissenheit und Tod zu brechen;

Die Macht seiner Natur schien nun das Greifen eines Kindes zu sein;

Der Himmel ist zu hoch für ausgestreckte Hände.

Dies Licht kommt nicht durch Kampf oder durch Denken;

Im Schweigen des Mentals wirkt das Transzendente

Und das verstummte Herz hört das ungeäußerte Wort.

Eine umfassende Hingabe war seine einzige Stärke.

Eine Macht muss handeln, die auf den Höhen wohnt,

Des Unsterblichen Luft in des Lebens geschlossenen Raum bringen

Und das Endliche mit dem Unendlichen füllen.

Was sich verweigert, muss herausgerissen und erschlagen werden,

Zermalmt die vielen Gelüste, um derentwillen

Wir die Eine verlieren, für die unser Leben bestimmt ist.

Der Schrei anderer Ansprüche war nun verstummt in ihm:

Er sehnte sich nur danach, ihre Gegenwart und Macht

In sein Herz und Mental und in seine atmende Gestalt zu ziehen;

Er trachtete nur danach, für allezeit

Ihre heilende Berührung der Liebe und Wahrheit und Freude

In die Finsternis der leidenden Welt herabzurufen.

Seine Seele ward befreit und ihr allein gegeben.

Ende des zweiten Cantos