Erstes Buch
Das Buch von den Anfängen
Zweiter Canto
Der Auftrag
Eine Weile, zurückgezogen in geheime Gefilde des Denkens,
Schweifte ihr mentaler Geist in bilderreichem Vergangenen,
Das neu auflebte und sein Ende nahe sah:
Sterbend lebte es unzerstörbar in ihr;
Vergänglich und kurzlebigen Augen entschwindend,
Unsichtbar, ein schicksalsvolles Gespenst des Selbstes,
Trug es die Zukunft auf seiner Phantom-Brust.
Entlang der weit zurückreichenden Spur flüchtigen Ereignisses
Verebbte der Strom beharrlich drängender Stunden,
Und am Ufer der geheimnisvollen Flut,
Bevölkert von viel geliebten Formen, nun nicht mehr gesehen,
Und den subtilen Bildern jener Dinge, die einst waren,
Da stand ihr Zeugengeist und ließ die Zeit Revue passieren.
Alles, was einst sie gehofft und geträumt hatte und gewesen war,
Flog an ihr vorbei mit Adlerflügeln durch die Lüfte der Erinnerung.
Wie in einer vielfarbig flammend inneren Morgendämmerung
Waren die breiten Straßen ihres Lebens und seine reizvollen Nebenwege
Ausgebreitet vor ihrem sonnenklar erfassenden Blick,
Von dem hellen Lande ihrer Kindheitstage her
Und den blauen Bergen ihrer aufschwingenden Jugend
Und den Paradieshainen und Pfauenflügeln der Liebe
Bis hin zur Freude, gepackt unter dem stillen Schatten des Unheils
In einer letzten Wendung, wo Himmel mit Hölle um die Wette lief.
Zwölf leidenschaftliche Monate führten in einen Tag des Schicksals.
Eine absolute übernatürliche Dunkelheit fällt
Manchmal auf den Menschen, wenn er Gott sich naht:
Es tritt eine Stunde ein, da alle Mittel der Natur versagen;
Vertrieben aus der schützenden Unwissenheit
Und auf seine nackten Urbedürfnisse zurückgeworfen,
Muss er schließlich seine äußere Seele von sich werfen
Und die unbekleidete Wesenheit im Innern sein:
Jetzt schlug Savitri diese Stunde.
Sie hatte einen Punkt erreicht, wo Leben fruchtlos ward
Oder, erwacht in ihrem ungeborenen Element,
Ihr Wille aufheben musste die Bestimmung ihres Körpers.
Denn nur die zeitlose Macht des ungeborenen Geistes
Kann das Joch beseitigen, von Geburt in Zeit auferlegt.
Einzig das Selbst, das diese Form des Selbstes erbaut,
Kann die festgelegte endlose Linie löschen,
Die diese wechselnden Namen, diese zahllosen Leben,
Diese neuen selbstvergessenen Persönlichkeiten verknüpft
Und in unseren bewussten Handlungen immer noch verborgen hält
Die Spur von alten längst vergessenen Gedanken und Taten,
Ausschlagen das Vermächtnis unserer begrabenen Selbste,
Die lästige Erbschaft unserer verschwundenen Formen,
Blindlings angenommen von Körper und Seele.
Eine Episode in einer längst vergessenen Erzählung,
Ihr Anfang verloren, ihr Motiv und Ablauf verborgen,
Eine einst lebendige Geschichte hat da vorbereitet und geschaffen
Unser jetziges Geschick, Kind vergangener Energien.
Die Starrheit der kosmischen Abfolgen,
Verkettet mit verborgenen unvermeidlichen Gliedern,
Musste sie brechen, beseitigen durch die Kraft ihrer Seele
Ihre Vergangenheit, eine Blockade auf dem Weg des Unsterblichen ,
Dem Erdboden gleichmachen und ihr Schicksal neu gestalten.
Ein Kolloquium der ursprünglichen Götter,
Die sich an den Grenzen des Unbekannten treffen,
Die Debatte ihrer Seele mit verkörpertem Nichts
Musste vor gefahrvoll dunklem Hintergrund ausgefochten werden:
Ihr Wesen musste sich seiner formlosen Ursache stellen,
Sein einzelnes Selbst gegen das Universum abwägen.
Auf dem kahlen Gipfel, wo das Selbst allein ist mit Nichts
Und Leben keinen Sinn macht und Liebe keinen Platz hat,
Musste sie an der Auslöschung Rand ihren Fall vertreten,
In der Welt Todeshöhle des Lebens hilflosen Anspruch verfechten
Und ihr Recht verteidigen, zu sein und zu lieben.
Geändert werden musste die strenge Ökonomie der Natur;
Einen Erlass der Hypothek ihrer Vergangenheit musste sie erwirken,
Ein altes Konto des Leidens abtragen,
Tilgen aus der Zeit die lang angehäufte Schuld der Seele
Und die drückende Knechtschaft der karmischen Götter ,
Die langsame Rache des gnadenlosen Gesetzes
Und die tiefe Not universalen Schmerzes
Und schweren Opfers und tragischer Folgen.
Aus einer zeitlosen Barriere musste sie brechen,
Mit ihren denkenden Tiefen der Leere monströse Stille durchdringen,
Dem unsterblichen Tod in die einsamen Augen schauen
Und mit ihrem nackten Geist die Nacht des Unendlichen durchmessen.
Der große und leidvolle Augenblick war jetzt ganz nah.
Ein gepanzertes Bataillon auf dem Marsch in sein Verderben,
So schleppten sich die letzten langen Tage schwer dahin,
Lang, doch zu bald vorbei, zu nah das Ende.
Allein inmitten der vielen geliebten Gesichter,
Bewusst unter ahnungslosen glücklichen Herzen,
Wachte ihr gerüsteter Geist über die Stunden,
Horchend auf einen prophezeiten gewaltigen Schritt
In der abgeschiedenen Schönheit der unmenschlichen Wildnis.
Eine Kämpferin in schweigend schrecklichen Aufstellungen,
Sie stand für diese Welt ein, ohne dass die Welt es wusste:
Außer der Stärke im Innern hatte sie keinen Helfer;
Es gab keinen Zeugen von irdischem Blick;
Oben die Götter und unten einzig die Natur,
Das waren die Zuschauer dieses gewaltigen Ringens.
Um sie herum waren die strengen himmelstrebenden Berge,
Und die grünen rauschenden weiten gedankenversunkenen Wälder
Murmelten unablässig ihre dumpfen Zauberworte.
Ein dichtes farbenprächtiges selbstverhülltes Leben,
Eingehüllt in Blätter von lebhaft smaragdgrüner Eintönigkeit
Und besetzt mit bewegten Sonnenstrahlen und heiteren Blüten,
Umschloss den abgeschiedenen Schauplatz ihres Geschicks.
Dort war sie zur vollen Größe ihres Geistes herangewachsen:
Der Genius gigantischer Schweigsamkeiten,
Eintauchend ihre Seele in deren weite Einsamkeit,
Hatte ihr die nackte Wirklichkeit ihres Selbstes gezeigt
Und sie mit ihrer Außenwelt vermählt.
Deren Einsamkeit erhöhte ihre menschlichen Stunden
Mit dem Ewigen und Einzigartigen als Kulisse.
Eine Kraft spärlichen direkten Notwendigseins
Beschränkte das schwere Gerüst des Menschen Tage
Und seiner überlastenden Masse äußerer Bedürfnisse
Auf einen ersten schmalen Streifen tierhaft einfacher Wünsche,
Und die mächtige Wildnis der urzeitlichen Erde
Und die still in sich gekehrte Menge geduldiger Bäume
Und die sinnierend saphirblaue Muße des Himmels
Und die feierliche Schwere der langsam dahinziehenden Monde
Hatten in ihr tiefen Raum gelassen für Denken und Gott .
Dort wurde das strahlende Vorspiel ihres Dramas gelebt.
Ein Ort für den Schritt des Ewigen auf Erden,
Geschaffen in der klösterlichen Sehnsucht der Wälder
Und bewacht vom Aufwärtsstreben der Gipfel,
Erschien durch eine goldne Öffnung in der Zeit,
Wo Stille lauschend das ungesprochene Wort verspürte
Und die Stunden vergaßen, gen Leid und Wandel zu ziehen.
Hier ganz plötzlich, wie es göttlichem Kommen zu eigen ist,
Wiederholend das Wunder der ersten Herabkunft,
Wandelnd in Verzückung den dumpf irdischen Lauf,
Kam zu ihr der Gott der Liebe, verbergend den Schatten, Tod.
In ihr fand leicht er seinen vollkommenen Schrein.
Seit erstmals das Erdenwesen gen Himmel wuchs,
Durch all die langen Prüfungen der Menschenart hindurch,
Ertrug noch nie ein erlesener Geschöpf seinen Strahl,
Diesen brennenden Test der Gottheit in unseren Wesensteilen,
Einen Blitzstrahl aus den Höhen tief in unseren Abgrund.
Alles in ihr wies hin auf eine edlere Art.
Der Weite der Erde nahe, mit Himmel vertraut,
Ihr junger weitschauender Geist, begeistert und geschickt,
Durch Welten reisend voller Herrlichkeit und Ruhe,
Überflog die Wege des Denkens zu ungeborenen Dingen.
Inbrünstig war ihr selbstbestimmter unerschütterlicher Wille;
Ihr mentaler Geist, ein Meer weißer Aufrichtigkeit,
Leidenschaftlich im Fluss, hatte nicht eine einzig trübe Woge.
Wie in einem mystischen und dynamischen Tanz
Eine Priesterin von makellosen Ekstasen,
Inspiriert und gelenkt von der Wahrheit offenbarendem Gewölbe,
Sich in einer Prophezeiungsgrotte der Götter bewegt,
Bewohnte ein Herz voller Stille in den Händen der Freude
Mit reichem schöpferischem Pulsschlag
Einen Körper, der wie ein Gleichnis der Morgenröte war
Und eine Nische schien für verschleierte Göttlichkeit
Oder ein goldnes Tempeltor zu jenseitigen Dingen.
Unsterbliche Rhythmen lenkten ihre zeitgeborenen Schritte;
Ihr Blick, ihr Lächeln weckten himmlisches Gefühl
Sogar im Erdenstoff, und deren intensive Freude
Verströmte in das Leben der Menschen übernatürlich Schönes.
Ein weites Sichgeben war ihre natürliche Art zu handeln;
Ein Großmut wie von Meer oder Himmel
Umfing mit seiner Erhabenheit alle, die da kamen,
Und gab ein Gefühl wie von einer größer gewordenen Welt:
Ihre liebevolle Fürsorge war eine Sonne, süß und mild,
Ihre hohe Passion die Ausgeglichenheit eines blauen Himmels.
Wie eine Seele gleich gejagtem Vogel fliegen mag,
Entfliehend mit müden Flügeln einer Welt von Stürmen,
Und Ruhe findet, gleichsam einer erinnerten Brust,
Konnte man an einem Ort der Geborgenheit und herrlich sanfter Ruhe
Wieder Leben in Strömen von Honigfeuer trinken,
Die verlorene Gewohnheit von Glück zurückgewinnen,
Die wunderbare Atmosphäre ihrer strahlenden Natur erfühlen
Und sich mit Freude zieren in der Obhut ihrer Wärme und Farbenpracht.
Eine Tiefe an Mitgefühl, ein verschwiegenes Heiligtum,
Ihre innere Hilfe schloss ein Tor im Himmel auf;
Liebe in ihr war weiter als das Universum,
Die ganze Welt konnte Zuflucht nehmen in ihrem einen Herzen.
Der große unbefriedigte Gott konnte darin wohnen:
Frei von des Zwergen-Selbstes eingeschlossener Luft
Beherbergte ihr Gemüt seinen feineren Atem,
Den spirituellen, der alles göttlich machen kann.
Denn sogar ihre Abgründe waren Heimlichkeiten von Licht.
Sie war zugleich die Stille und das Wort,
Kontinent eines selbstausbreitenden Friedens,
Ein Meer von nicht flackernd jungfräulichem Feuer;
Die Stärke, das Schweigen der Götter war ihr zu eigen.
In ihr fand er eine Weite, der eigenen gleich,
Seinen hohen warmen feinen Äther fand er wieder
Und bewegte sich in ihr wie in seinem natürlichen Heime.
In ihr traf er seine eigene Ewigkeit.
Bis dahin hatte kein trauriges Geschick diesen Strahl gehemmt.
Auf der schwachen Brust dieser unsicheren Erde,
Seit ihr orbitaler Blick in seinem atembefestigten Haus,
Auftuend in Gleichgestimmtheit mit glücklicheren Sternen,
Wo Leben nicht ausgesetzt ist kummervollem Wandel,
Schönheit erinnerte, von todgeweihten Augen nicht beachtet,
Und staunte über diese Welt zerbrechlicher Formen,
Getragen auf Leinwandstreifen schimmernder Zeit ,
Genoss sie die Straffreiheit ungeborener Mächte.
Obwohl sie sich beugte der Menschen Last zu tragen,
Behielt ihr Schreiten doch der Götter Maß.
Der Erde Atem hatte dies wunderbare Glas nicht trüben können:
Unbeschmutzt vom Staube unserer sterblichen Atmosphäre
Spiegelte es noch immer des Himmels spirituelle Freude wider.
Fast sahen jene, die in ihrem Lichte lebten,
Ihren Spielgefährten in den immerwährenden Sphären,
Herabgestiegen aus seinen unerreichbaren Gefilden
Auf die leuchtende Spur ihrer lockenden Ankunft,
Den weißfeurigen Drachenvogel endloser Seligkeit,
Der mit brennenden Flügeln über ihre Tage schwebt:
Des Himmels ruhige Schild schützte das gesandte Kind.
Ihre frühe Zeit war ein glühender Orbit,
Jahre wie Goldgewänder wallender Götter;
Ihre Jugend thronte in ruhiger Glückseligkeit.
Doch Freude kann nicht bis zum Ende währen:
In irdischen Dingen gibt es eine Dunkelheit,
Die einen allzu frohen Klang nicht dulden will.
Auch um sie schloss sich die unentrinnbare Hand:
Der bewaffnet Unsterbliche trug die Schlinge der Zeit.
Mit ihr befasste sich einer, der die beladenen Großen trifft.
Zuteiler der Feuerprobe und des Pfades,
Der in diesem Holocaust der Seele
Tod, Fall und Leiden als des Geistes Antriebskräfte wählt,
Der zweideutige Gott mit seiner Fackel des Schmerzes
Erhellte die Kluft der unvollendeten Welt
Und hieß sie mit ihrem weiten Selbst den Schlund zu füllen.
Ehrwürdig und erbarmungslos in seinem ruhigen Ausblick,
Verstärkend die schreckliche Strategie des Ewigen,
Bemaß er die Schwierigkeit entsprechend der Kraft
Und grub die Schlucht noch tiefer, die alle durchqueren müssen.
Ihre göttlichsten Elemente angreifend,
Machte er ihr Herz dem ringenden Menschenherz verwandt
Und zwang ihre Stärke auf den ihr bestimmten Weg.
Dafür hatte sie sterblichen Atem angenommen;
Zu ringen mit dem Schatten war sie gekommen
Und musste sich stellen dem Rätsel des Menschen Geburt
Und Lebens kurzem Kampf in dumpfer Materie Nacht.
Entweder Unwissenheit und Tod ertragen
Oder die Wege der Unsterblichkeit bahnen,
Gewinnen oder verlieren das gottgleiche Spiel für den Menschen,
War der Auftrag ihrer Seele, ausgeworfen mit des Schicksals Würfel.
Doch nicht sich zu unterwerfen und zu leiden war sie geboren;
Zu führen, zu befreien war ihre glorreiche Rolle.
Hier war kein Material von irdischer Beschaffenheit
Geeignet für den Tagesgebrauch eifrig sorgloser Mächte.
Ein Bild, flimmernd auf der Leinwand des Schicksals ,
Halb belebt für eine vorübergehende Vorführung,
Oder ein Schiffbrüchiger auf dem Ozean der Begierde,
Hineingeschleudert in die Strudel eines unbarmherzigen Spieles
Und entlang der Klippen der Umstände herumgeworfen,
Ein Geschöpf, geboren unter dem Joch sich zu beugen,
Ein Besitz und ein Spielzeug für die Herren der Zeit,
Oder ein weiterer Bauer, ausersehen nach vorne gerückt zu werden
In einem bedächtigen Zug auf einem unermesslichen Brett
Im Schachspiel der Erdenseele mit dem Verhängnis, –
Derart ist die menschliche Figur, gezogen von der Zeit .
Eine bewusste Gestalt war hier, eine selbstgeborene Kraft.
In diesem Rätsel von Gottes Dämmerung,
Diesem schwerfälligen und seltsam faulen Kompromiss
Der begrenzenden Natur mit einer grenzenlosen Seele,
Wo alles sich bewegen muss zwischen geregeltem Zufall
Und gleichgültig blinder Notwendigkeit ,
Wagt das spirituelle Feuer nicht allzu hoch zu brennen.
Träfe es einmal die intensive Urflamme,
Könnte die antwortende Berührung alle festen Maße zerschmettern
Und die Erde würde niedersinken unter der Last des Unendlichen.
Ein Kerker ist diese immense materielle Welt:
Auf jeder Straße steht bewaffnet ein steinäugiges Gesetz,
Vor jedem Tor schreiten die großen finsteren Wächter auf und ab.
Ein graues Tribunal der Unwissenheit,
Eine Inquisition der Priester der Nacht
Sitzt zu Gericht über die Seele, die das Abenteuer wagt,
Und die doppelten Tafeln und die karmische Norm
Bändigen den Titan in uns und den Gott:
Schmerz mit seiner Peitsche, Freude mit ihrer Silber-Bestechung
Wahren des Rades kreisende Unbewegtheit.
Eine Fessel ist dem hochsteigenden mentalen Geist angelegt,
Ein Siegel ist auf das allzu große weitoffene Herz gelegt;
Tod hält den reisenden Entdecker, das Leben, auf.
So ist der Thron des Nichtbewussten wohl gesichert,
Während schleppend die Windungen der Äonen dahinziehen
Und das Tier im heiligen Gehege weidet
Und der goldne Falke nicht mehr am Himmel kreisen kann.
Doch jemand stand auf und entfachte die grenzenlose Flamme.
Angeklagt von der dunklen Macht, die alle Glückseligkeit hasst,
Vor dem schrecklichen Gericht, wo Leben für Freude zahlen muss,
Verurteilt von der mechanischen Justiz
Zur quälenden Strafe menschlicher Hoffnungen,
Beugte sie nicht ihr Haupt vor dem harten Urteilsspruch,
Entblößend ihr wehrloses Herz dem Schicksalsschlag.
So beugt sich und muss der mentalgeborene Wille im Menschen
Den seit alters her festgelegten Statuten gehorchen
Und ohne Einspruch die niederen Götter zulassen.
In ihr säte das Übermenschliche seine Saat.
Unfähig, seine mächtigen Schwingen des Traumes zu schließen,
Weigerte sich ihr Geist, den gewöhnlichen Boden zu liebkosen,
Oder, findend Lebens goldne Werte geraubt,
Sich mit der Erde zu einigen, getilgt aus dem Sternenverband,
Oder mit völliger Verzweiflung das Licht von Gott zu löschen.
Gewöhnt an das Ewige und das Wahre,
Ihr Wesen seiner göttlichen Quellen bewusst,
Erbat nicht von sterblicher Gebrechlichkeit Linderung der Pein,
Überdeckte nicht Versagen mit Schachern oder Kompromiss.
Sie hatte ein Werk zu tun, ein Wort zu sagen:
Schreibend die unvollendete Geschichte ihrer Seele
Mit Gedanken und Taten, eingraviert im Buch der Natur,
Lehnte sie es ab, die helle Seite abzuschließen,
Ihren Handel mit der Ewigkeit abzubrechen,
Oder eine Unterschrift von schwächlicher Zustimmung
Unter die rohe Bilanz des Tauschhandels der Welt zu setzen.
Eine Kraft in ihr, die sich mühte seit Erschaffung der Erde,
Erfüllend im Leben den großen Weltenplan,
Verfolgend nach dem Tode unsterbliche Ziele,
Weigerte sich die nutzlose Rolle der Enttäuschung anzunehmen,
Den Sinn ihrer Geburt in der Zeit zu verwirken,
Der Herrschaft beiläufiger Fakten zu gehorchen
Oder flüchtigem Zufall ihre hohe Bestimmung zu überlassen.
In ihrem eigenen Selbst fand sie ihre hohe Zuflucht;
Ihr souveränes Recht maß sie mit dem eisernen Gesetz:
Ihr alleiniger Wille widersetzte sich dem kosmischen Gebot.
Um die Räder des Unheils anzuhalten, erhob sich diese Größe.
Auf das Klopfen des Ungesehenen an ihren verborgenen Pforten
Erwachte ihre Stärke, gesteigert durch des Blitzes Berührung,
Aus dem Schlummer in der Tiefe ihres Herzens.
Diese hielt den Schlag von Jenem aus, das tötet und errettet.
Hin durch den fürchterlichen Aufmarsch, den kein Auge sehen kann,
Versperrend dessen grausige Route, die kein Wille ändern kann,
Trat sie den Triebwerken des Universums entgegen;
Ein Herz stand den Antriebsrädern im Wege:
Die gewaltigen Mechanismen hielten inne vor einem mentalen Geist,
Die starren Konventionen trafen auf die Flamme einer Seele.
Ergriffen wird plötzlich eine magische Hebelkraft,
Die den zeitlosen Willen des verhüllten Unbegreifbaren bewegt:
Ein Gebet, ein Meisterwerk, eine Königsidee
Kann des Menschen Stärke mit einer transzendenten Kraft verbinden.
Zur allgemeinen Regel wird Wunder dann,
Eine einzige mächtige Tat kann den Lauf der Dinge ändern;
Ein einsamer Gedanke wird allmächtig.
Jetzt scheint alles der geballte Mechanismus der Natur zu sein;
Eine endlose Knechtschaft an materielle Herrschaft
Und unnachgiebiger Kette langer Determination,
Ihre festen und unwandelbaren Gewohnheiten, Gesetz nachäffend,
Ihr Reich von unbewusster Kunstfertigkeit
Zerstören den Anspruch des Menschen auf den freien Menschenwillen.
Auch er ist eine Maschine unter Maschinen;
Ein Kolbengehirn pumpt die Formen der Gedanken hervor,
Ein pochend Herz stanzt die Weisen der Gefühle aus;
Eine empfindungslose Energie fertigt eine Seele an.
Oder die Gestalt der Welt offenbart die Zeichen
Einer gebundenen Zufälligkeit, die ihre alten Schritte
In Kreisen um die Bindepfosten der Materie wiederholt.
Eine zufällige Reihe unpassender Ereignisse,
Denen Vernunft nur trügerischen Sinn verleiht, gibt es hier,
Oder das instinktive Suchen des empirischen Lebens,
Oder das kolossale Wirken eines enormen unwissenden Mentals.
Doch Weisheit kommt, und die Schau im Innern wächst:
Dann krönt das Werkzeug der Natur sich selbst zu ihrem König;
Er fühlt sein zeugenhaftes Selbst und seine bewusste Macht;
Seine Seele tritt zurück und sieht das erhabene Licht.
Eine Gottheit steht hinter der brachialen Maschinerie.
Diese Wahrheit brach herein mit dem Triumph von Feuer;
Ein Sieg war errungen für Gott im Menschen,
Die Göttlichkeit enthüllte ihr verborgenes Antlitz.
Die große Weltmutter stand nun auf in ihr:
Eine lebendige Wahl drehte des Schicksals kalten toten Lauf,
Bekräftigte den Schritt des Geistes über den Umstand ,
Drängte zurück das sinnlos grässlich drehende Rad
Und stoppte den stummen Marsch der Notwendigkeit.
Eine flammende Kriegerin aus den ewigen Höhen,
Ermächtigt aufzubrechen das verwehrte und verschlossene Tor,
Schlug vom Gesicht des Todes seine dumpfe Absolutheit
Und sprengte die Fesseln des Bewusstseins und der Zeit.
Ende des zweiten Cantos