Dritter Canto
Der Ruf zur Suche
Ein Morgen, der einer neuen Schöpfung Anfang zu sein schien,
Bringend ein helleres Sonnenlicht, glücklichere Himmel,
Kam belastet mit einer Schönheit, bewegt und seltsam,
Aus dem wandellosen Ursprung der Dinge daher.
Eine uralte Sehnsucht schlug wieder neue Wurzeln:
Die Luft trank tief von unerfüllter Begier;
Die hohen Bäume zitterten im wandernden Wind
Wie Seelen, die beim Nahen der Freude erschauern,
Und im Schoße von grüner Heimlichkeit
Sang auf alle Zeiten seiner einen Liebesnote unverdrossen
Inmitten der Blätter lyrisch ein Koel.
Abgewandt vom irdischen Gemurmel,
Wo flüchtige Rufe und Antworten ihr Fluten miteinander mischen,
Lauschte König Aswapati durch den Strahl
Auf andere Klänge, als das sinngeformte Ohr sie hört.
In einem feinsinnigen Zwischenraum, der unser Leben umgibt,
Waren die trance-verschlossenen Pforten des inneren Geistes entriegelt:
Die unhörbaren Töne in der Natur konnten vernommen werden;
Durch dieses zyklische Trampeln eifriger Leben,
Durch die tiefe Dringlichkeit gegenwärtiger Sorgen,
Erhob sich der Erde wortlose Hymne an das Unbeschreibliche
Aus dem stillen Herz der kosmischen Leere;
Er hörte die unterdrückte Stimme ungeborener Mächte,
Die da murmeln hinter den lichten Schranken der Zeit.
Und wieder entfachte die mächtige Sehnsucht ihre Flamme,
Die für den Menschen ein vollkommenes Leben auf Erden verlangt
Und um Gewissheit bittet für das unsichere Mental
Und um schattenlose Seligkeit für leidende Menschenherzen
Und um Wahrheit, verkörpert in einer unkundigen Welt,
Und um Gottheit, die sterbliche Formen vergöttlicht.
Ein Wort, das aus einem fernen Himmel des Denkens entsprang,
Hereingelassen von dem verkappt empfangenden Schreiber,
Durchquerte die widerhallenden Gänge seines Gehirns
Und hinterließ seinen Stempel in den aufzeichnenden Zellen.
„O Kraft -gezwungenes, Schicksal -getriebenes Erdenvolk,
O kleine Abenteurer in einer unendlichen Welt
Und Gefangene von einer zwergenhaften Menschlichkeit,
Wie lange wollt ihr noch auf den Gleisen des Mentals
Um euer kleines Ich und die kleinlichen Dinge kreisen?
Ihr wart doch nicht für eine unveränderliche Winzigkeit bestimmt,
Nicht für fruchtlose Wiederholung erschaffen;
Aus der Substanz des Unsterblichen wart ihr gebaut;
Euer Tun kann rasch enthüllendes Schreiten sein,
Euer Leben eine wandelbare Form für wachsende Götter.
Ein Seher, ein starker Schöpfer, ist im Innern,
Der makellos Erhabene sinnt über euren Tagen,
Allmächtige Kräfte sind in den Zellen der Natur eingeschlossen.
Vor euch harrt eurer eine größere Bestimmung:
Dies vergänglich irdische Wesen kann, wenn es will,
Seine Taten in einen transzendenten Plan einfügen.
Er, der jetzt mit unwissenden Augen auf die Welt starrt,
Kaum erstanden aus der Nacht des Nichtbewussten,
Nur auf Bilder schauend und nicht auf die Wahrheit,
Kann diese Augen mit der Sicht eines Unsterblichen füllen.
Dennoch wird die Gottheit in euren Herzen wachsen,
Erwachen werdet ihr in die Luft des Geistes
Und das Niederbrechen der Mauern sterblichen Mentals verspüren
Und die Botschaft hören, die des Lebens Gemüt verstummen ließ,
Und mit sonnenschauenden Lidern durch die Natur blicken
Und eure Muschelhörner am Tor des Ewigen blasen.
Euch Urhebern hoher Wandlung der Erde ist es gegeben,
Die gefahrvollen Räume der Seele zu durchqueren
Und hellwach die mächtige Mutter zu berühren
Und den Allmächtigen in diesem Haus von Fleisch zu begegnen
Und den millionenleibigen Einen zu leben.
Die Erde, die ihr begeht, ist ein vom Himmel abgeschirmtes Grenzland;
Das Leben, das ihr führt, verbirgt das Licht, das ihr seid.
Unsterbliche Mächte ziehen lodernd an euren Pforten vorbei;
Fernab auf euren Gipfeln ertönt Gottgesang,
Derweil des Denkens Posaunen euch zur Selbstüberschreitung rufen,
Gehört von wenigen, aber noch wenigere sich trauen zu erstreben,
Die Besessenen von der Ekstase und der Flamme.
Ein Epos von Hoffnung und Scheitern bricht das Herz der Erde;
Ihre Kraft und ihr Wille übersteigen ihre Form und ihr Schicksal.
Eine Göttin, verfangen im Netz der Vergänglichkeit,
Träumt selbstgebunden auf den Weiden des Todes vom Leben,
Sehnt selbstgequält mit Höllenschmerzen sich nach Freude
Und baut der Hoffnung ihre Altäre der Verzweiflung,
Wissend, dass ein einzig hoher Schritt alles lösen könnte,
Sucht sie, leidend, nach Größe in ihren Söhnen.
Doch schwach brennt das aufstrebende Feuer im Menschenherz,
Wo die nicht sichtbare Hoheit ungeachtet sitzt;
Der Mensch sieht den Höchsten in einer begrenzenden Form
Oder blickt auf eine Person, hört einen Namen.
Um ärmlicher Gewinne willen wendet er sich unwissenden Mächten zu
Oder entfacht seine Altarlichter für ein Dämonengesicht.
Er liebt die Unwissenheit, Vater seiner Pein.
Ein Bann liegt auf seinen glorreichen Stärken;
Er hat die innere Stimme verloren, die sein Denken lenkte,
Und den orakelhaften dreifüßigen Sitz verdeckend,
Nimmt ein fadenscheiniges Idol den Wunderschrein ein.
Die große Illusion hüllt ihn in ihre Schleier ein,
Die tiefen Eingebungen der Seele kommen vergebens,
Vergebens ist die endlose Linie der Seher,
Die Weisen sinnieren in wesenlosem Licht,
Die Dichter leihen ihre Stimme äußeren Träumen,
Ein heimatloses Feuer inspiriert die Zungen der Propheten.
Herab flammen des Himmels Lichter und kehren zurück,
Das leuchtende Auge naht und entfernt sich wieder;
Ewigkeit spricht, doch keiner begreift ihr Wort;
Das Schicksal ist unwillig und der Abgrund verneint;
Des Nichtbewussten geistlose Wasser blockieren alles Vollbrachte.
Nur ein wenig angehoben ist der Schirm des Mentals;
Die Weisen, die wissen, sehen nur eine Hälfte der Wahrheit,
Die Starken erklimmen kaum eine niedrige Gipfelhöhe,
Sehnenden Herzen wird eine einzige Stunde der Liebe gegeben.
Seine Legende erst halb erzählt, stockt der geheime Barde;
Der Götter gibt es noch zu wenige in sterblicher Form.“
Die Stimme zog sich zurück in ihre verborgenen Himmel.
Aber wie eine strahlende Antwort der Götter
Nahte durch sonnenhelle Räume Savitri.
Einherschreitend zwischen hohen himmelsäuligen Bäumen,
Gekleidet in ihr flimmernd buntes Gewand,
Schien sie, lodernd den ewigen Reichen zu,
Eine hell bewegte Fackel von Weihrauch und Feuer zu sein,
Vom himmelgewölbten Tempelboden der Erde
Hochgehoben von Pilgerhand in ein unsichtbares Heiligtum.
Dort kam die Gabe einer enthüllenden Stunde:
Er sah durch Tiefen, die alles neu deuten,
Jetzt nicht mehr beschränkt durch die Augen des stumpfen Körpers,
Neu erkannt durch einen Bogen klarer Entdeckung,
Diese Andeutung der Welt beseligender Freude,
Dies Wunder aus der Hand des göttlichen Künstlers,
Geschnitzt wie ein Nektarkelch für durstige Götter,
Diese atmende Schrift der Freude des Ewigen,
Dies Netz der Lieblichkeit, gewoben aus goldgelbem Feuer.
Verwandelt wurde das feine Bildgesicht
Zum selbstenthüllenden Zeichen einer tieferen Natur,
Zum Blattgold-Palimpsest heiliger Geburten,
Zum würdevollen Weltsymbol, gemeißelt aus dem Leben.
Ihre Stirn, ein Abbild des klaren makellosen Himmels,
War der Meditation Sockel und Wehr,
Das eigentliche Gemach und Lächeln sinnierenden Raumes,
Deren grübelnde Linie Symbolkurve der Unendlichkeit.
Inmitten der wolkigen Fülle ihrer Locken
Waren ihre langen Augen, wie von Flügeln der Nacht beschattet
Unter der mondgoldnen Stirn träumender Weite,
Meere voller Liebe und Denken, haltend die Welt;
Staunend über Leben und Erde, sahen sie ferne Wahrheiten.
Ein todloser Sinngehalt füllte ihre sterblichen Glieder;
Wie die ergreifende Kontur einer goldnen Vase
Schienen sie das rhythmisch seufzende Seligsein
Der Erde stumme himmelwärts gerichtet Anbetung zu tragen,
Entfesselt im Schönheitsschrei einer lebendigen Gestalt
Empor der Vollendung ewiger Dinge zu.
Durchscheinend ward das vergänglich lebende Kleid,
Entblößend die ausdrucksvolle Göttin seinem Blicke.
Entronnen äußerer Sicht und sterblichem Sinn,
Wurde die überwältigende Harmonie ihrer Formen
Die seltsam bedeutungsvolle Ikone einer Macht,
Die ihre unergründliche Herabkunft
In eine Menschengestalt ihrer Werke erneuerte,
Die hier sich abhob im kühnen schroffen Relief des Lebens
Auf dem Boden des evolvierenden Universums,
Eine Gottheit, skulpturiert an einer Wand des Denkens,
Gespiegelt im Fluss der Stunden und schummrig bewahrt
Wie in einer Höhlenkathedrale in Materie.
Die vergänglichen Werte des Mentals wurden aufgehoben,
Des Körpers Sinn gab sein irdisches Sehen auf;
Unsterbliches traf Unsterbliches, Auge in Auge.
Erwacht aus dem innigen Bann täglichen Umgangs,
Der die Seelenwahrheit durch die äußere Gestalt verbirgt,
Gewahr er durch die vertrauten geliebten Glieder hindurch
Den großen und unbekannten Geist, geboren als sein Kind.
Aus dem Stegreif einer tieferen Schau im Innern
Stiegen Gedanken in ihm auf, die ihre Tragweite nicht kannten.
Zu diesen weiten und sinnierenden Tiefen, wo Liebe
Auf ihn durch die Meerenge des Mentals herübersah,
Sprach er in Sätzen aus den ungesehenen Höhen.
Denn manchmal nutzen die verborgenen Souffleure unserer Rede
Die Formeln einer Stimmung des Augenblicks,
Um unbewusste Lippen mit Worten des Schicksals zu beladen:
Ein zufällig gesprochener Satz kann unser Leben ändern.
„O Geist, Wanderer durch die Ewigkeit,
Der du aus den unsterblichen Räumen hierher kamst,
Gewappnet für das prächtige Wagnis deines Lebens,
Deinen sieghaften Fuß auf Zufall und Zeit zu setzen,
Der Mond hielt in seinem Lichtkranz Träume wie dich.
Eine mächtige Gegenwart beschützt noch immer deine Gestalt.
Vielleicht behüten dich die Himmel für eine große Seele,
Wird irgendwo verwahrt dein Schicksal, dein Werk.
Dein Geist kam nicht als einsamer Stern herab.
O du lebende Inschrift der Schönheit der Liebe,
Kostbar gehüllt in goldne Jungfräulichkeit,
Was als Botschaft von himmlischer Stärke und Seligkeit in dich
Geschrieben ist mit der sonnenweißen Schrift des Ewigen,
Das wird einer entdecken und damit sein Leben bereichern,
Für den du die Edelsteinketten deines Herzens löst.
O Rubine des Schweigens, Lippen, von denen sich
Leises Lachen stahl, Musik von Ruhe,
Sternenhelle Augen, wach in süß weiter Nacht,
Und Glieder wie filigrane Gedichte aus Gold,
Zusammengefügt von Künstler-Göttern zu schimmernden Bögen,
Geh dorthin, wo Liebe und Schicksal deinen Zauber rufen.
Wage dich durch die tiefe Welt, um deinen Gefährten zu finden.
Denn irgendwo an der sich sehnenden Brust der Erde
Wartet der unbekannte Geliebte auf dich Unbekannte.
Deine Seele besitzt Stärke und braucht keinen anderen Führer
Als Den, der in den Gewalten deiner Brust brennt.
Es wird sich nähern deinen nahenden Schritten
Das andere Selbst, nach dem deine Natur verlangt,
Er, der mit dir verbunden gleichen Schrittes
Wandeln wird bis an deines Leibes Ende,
Der Lyriker der innigsten Saiten deiner Seele,
Der allem Stimme verleihen wird, was stumm ist in dir.
Dann werdet ihr wie verwandte schwingende Harfen sein,
Eins in den Rhythmen des Unterschieds und der Freude,
Entsprechend in göttlichen und gleichgestimmten Klangweisen,
Und zum ewigen Thema manch neuen Ton entdecken.
Eine Kraft wird euch bewegen und leiten,
Ein Licht wird um euch und in eurem Innern sein;
Gemeinsam stellt der Frage des Himmels, dem Leben, euch:
Fordert die Feuerprobe dieser immensen Maskerade heraus.
Steig aus Natur empor zu Höhen der Göttlichkeit;
Trete den hohen Göttern gegenüber, die gekrönt sind mit Wonne,
Dann treffe einen größeren Gott, dein Selbst jenseits der Zeit. “
Dies Wort war Saat von allem, was da kommen sollte:
Die Hand einer Größe öffnete die verschlossenen Tore ihres Herzens
Und wies das Werk, wofür ihre Stärke geboren war.
Wie das Mantra in das Ohr des Yoga sinkt,
Dringt seine Botschaft weckend in das blinde Gehirn
Und wahrt in den dunklen unwissenden Zellen seinen Klang;
Der Hörer erfasst ein Wortgebilde
Und will, sinnierend über dessen Grundgedanken,
Mit dem mühenden mentalen Geist es deuten,
Findet aber nur helle Andeutungen, nicht die verkörperte Wahrheit:
Dann, verstummend in sich selbst um zu wissen,
Trifft er auf das tiefere Lauschen seiner Seele:
Das Wort wiederholt sich selbst in rhythmischen Weisen:
Denken, Schau, Gefühl, Sinn, das Selbst des Körpers
Werden unsagbar ergriffen und er hält
Eine Ekstase und unsterbliche Wandlung aus;
Er fühlt eine Weite und wird zu einer Macht,
Wie ein Meer stürzt alles Wissen auf ihn ein:
Umgestaltet durch den weißen spirituellen Strahl
Wandelt er in bloßen Himmeln der Freude und Ruhe,
Sieht das Gottantlitz und hört transzendente Rede:
Gleich Großes ward nun in ihr Leben gesät.
Gewohnte Szenen waren nun ein zu Ende gebrachtes Spiel:
Sich sinnend bewegend zwischen vertrauten Mächten,
Berührt von neuen Größen und feurigen Zeichen,
Wandte sie sich Weiten zu, die bisher nicht ihr eigen waren;
Verlockt schlug ihr Herz nach unbekannten Lieblichkeiten;
Nah waren die Geheimnisse einer ungesehenen Welt.
Der Morgen ging in einem lächelnden Himmel auf;
Von seinem saphirblauen Gipfelpunkt der Trance herab
Versank der Tag im flammenden Abendgold;
Der Mond, ein leuchtend Heimatloser, durchzog den Himmel
Und sank unter den vergesslichen Rand des Traumes;
Nacht entfachte die Wachfeuer der Ewigkeit.
Dann kehrte alles zurück in die geheimen Höhlen des Mentals;
Eine Dunkelheit kam nieder auf den Schwingen des Himmelsvogels,
In ihren Sinnen von der Außenwelt abgeschottet,
Und erschloss die ungeheuren Tiefen des Schlafes.
Als blass die Morgenröte der Schattenwacht der Nacht entschlüpfte,
Begehrte das neugeborene Licht ihr Antlitz umsonst;
Der Palast erwacht zu seiner eigenen Leere;
Die Herrin seiner täglichen Freuden weilte fern;
Ihre Mondscheinfüße tönten nun nicht mehr die lichten Fliesen:
Die Schönheit und Göttlichkeit waren entschwunden.
Freude war entflohen, die weite Welt zu erkunden.
Ende des dritten Cantos